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Fragen und Antworten zu inter*

  • Intergeschlechtliche oder inter* Personen haben Merkmale von männlichen und weiblichen Körpern. Ihr geschlechtliches Erscheinungsbild wird daher häufig als eine Mischung der Geschlechter wahrgenommen. Dies kann sowohl durch sekundäre Geschlechtsmerkmale wie Muskelmasse, Haarverteilung oder Gestalt als auch durch primäre Geschlechtsmerkmale (innere und äußere Geschlechtsorgane, chromosomale und hormonelle Struktur) zum Ausdruck kommen und sich in verschiedenen Lebensphasen (bei der Geburt, im Kindes-, Jugend- oder Erwachsenenalter) zeigen.

    Der Begriff „intergeschlechtlich“ kann sich aber auch auf die Geschlechtsidentität einer Person beziehen. Die Bezeichnung inter* wird als ein Oberbegriff genutzt, der alle vielfältigen intergeschlechtlichen Realitäten und Körperlichkeiten miteinschließen soll.

  • Es gibt keine zuverlässigen Zahlen oder Statistiken zu der Anzahl von inter* Personen in Deutschland. Die Schätzungen variieren von 8.000 bis hin zu 120.000 Personen. Diese basieren auf Hochrechnungen, da es keine Stelle gibt, die die Daten erfasst. Ein Grund für die stark abweichenden Schätzungen ist unter anderem die zugrunde gelegte Definition von inter* Personen. Die Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 16/4786) gab 2007 eine Zahl von 8.000 bis 10.000 inter* Personen in Deutschland und eine Häufigkeit von intergeschlechtlichen Neugeborenen von 1 zu 4.500 an, beschränkt sich dabei aber nur auf Betroffene mit "schwerwiegenden Abweichungen der Geschlechtsentwicklungen".

    Andere Schätzungen liegen dagegen weit höher. So geht beispielsweise die Intersex Society of North America, (ISNA) von einem Vorkommen von rund 1 zu 100 aus, das heißt etwa ein Prozent der Neugeborenen weist körperliche Merkmale auf, die von der männlichen oder weiblichen „Norm“ abweichen.  Zur Webseite der ISNA gelangen Sie hier Und auch die Vereinten Nationen geben an, dass bis zu 1,7 Prozent der Bevölkerung mit intergeschlechtlichen Merkmalen zur Welt kommt. Zum factsheet der Vereinten Nationen zum Thema Intergeschlechtlichkeit gelangen Sie hier.

  • Wird ein intergeschlechtliches Kind geboren, fehlt es oft an professioneller Beratung und Unterstützung der Eltern. Eltern berichten immer wieder davon, dass sie von Ärzten zu geschlechtsvereindeutigenden Maßnahmen gedrängt wurden. Viele inter* Personen empfinden diese Behandlungen, die oft vor der Einwilligungsfähigkeit durchgeführt werden und zu denen auch Verstümmelungen, Sterilisation, Kastration und kosmetische Eingriffe gehören, als grobe Verletzung ihrer körperlichen Integrität. Fehlbehandlungen, Tabuisierung und die Vorenthaltung wichtiger Informationen haben gravierende Folgen für das Leben von inter* Personen und führen nicht selten zu Traumata.

    Darüber hinaus sind die Krankenkassen nicht auf notwendige Behandlungen bei intergeschlechtlichen Personen vorbereitet. Obwohl operierte intergeschlechtliche Personen bspw. ein deutlich erhöhtes Risiko haben, an Gonadenkrebs (Hoden- und Eierstockkrebs) zu erkranken, werden entsprechende Vorsorgeuntersuchungen nur selten oder erst ab einem bestimmen Lebensjahr von der Krankenkasse bezahlt. Während viele medizinische Untersuchungen unabhängig von der Geschlechtszugehörigkeit in Anspruch genommen werden können, fallen inter* Personen trotzdem häufig durch das Raster, da Krankenkassen bestimmte Leistungen nur für Personen übernehmen, die als „weiblich“ oder „männlich“ gemeldet sind und körperliche Merkmale aufweisen, die dem Geschlecht zugeordnet werden. So wird „Mutterschaftsgeld“ nur an „weibliche Mitglieder“ der Krankenkasse gezahlt, obwohl das Mutterschutzgesetz für alle Personen anwendbar ist, die schwanger sind, ein Kind geboren haben oder stillen.

    Inter* Personen sind Diskriminierungen in allen Lebensbereichen ausgesetzt. In einer von der Heinrich-Böll-Stiftung initiierten Studie wurden zahlreiche Fälle von struktureller Diskriminierung untersucht.

  • Inter* Personen können sich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden, wenn sie Diskriminierung erfahren haben. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet eine kostenlose juristische Erstberatung an. Unsere Berater*innen informieren über mögliche rechtliche Schritte bei Diskriminierung. Gegebenenfalls können sie auch mögliche weitere Ansprechpartner*innen benennen, die unterstützend tätig werden können. Die Antidiskriminierungsstelle hat die Möglichkeit, zu vermitteln. Weitere Beratungsstellen finden Sie in unserer Beratungsstellensuche.

  • Das AGG schützt u.a. vor Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Identität in Beruf und Beschäftigung sowie im Alltag. Dort findet das AGG Anwendung auf Alltagsgeschäfte wie Einkäufe, Gaststätten- oder Diskothekenbesuche, Wohnungssuche sowie Versicherungs- und Bankgeschäfte. Der Schutzgrund "Geschlecht" umfasst nicht nur Frauen und Männer, sondern auch intergeschlechtliche Personen.

  • Seit 2019 können Eltern bei der Registrierung ihrer Kinder für das Geburtenregister zwischen drei Angaben wählen: "Weiblich", "männlich" und "divers". Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, keine Angaben zum Geschlecht des Kindes zu machen. Ist ein Eintrag in der Vergangenheit unrichtig erfolgt, können intersexuelle Menschen das Register auf Antrag berichtigen lassen.

    Der Nachweis der Intersexualität durch ein ärztliches Gutachten ist nicht mehr zwingend erforderlich. Stattdessen kann auch eine eidesstattliche Versicherung ausreichen. Diese Lösung wird von Organisationen und Verbänden aber als Minimalkonsens betrachtet, da sie keine vollständige Streichung des ärztlichen Gutachtenerfordernisses zugunsten eines Antrags beim Standesamt enthält.

    Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat sich in diesem Zusammenhang dafür ausgesprochen, den nicht-binäre Geschlechtseintrag „divers“ für alle Personen zu öffnen, nicht nur dem Personenkreis mit „Varianten der Geschlechtsentwicklung“.

    Das Bundesverfassungsgericht hatte am 8. November 2017 die bisherigen Regelungen zum Geschlechtseintrag im Personenstandsregister für verfassungswidrig erklärt (vgl. Beschluss vom 10. Oktober 2017 - 1 BvR 2019/16). Bisher gab es in Deutschland keine dritte Geschlechtskategorie neben "männlich" und "weiblich". Intergeschlechtliche Personen hatten nur die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag offen zu lassen.

  • Nach § 27 Absatz 3 Nr. 4 PStG ist die nachträgliche Angabe oder die Änderung des Geschlechts des Kindes möglich. Dazu muss die Intersexualität des Kindes durch ärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden.

    Haben die Eltern bei einem intersexuellen Kind das Geschlecht festgelegt, ist es möglich, den Geschlechtseintrag nachträglich streichen und dauerhaft offen zu lassen. Die Änderung ist jederzeit, auch noch im Erwachsenenalter, möglich (vgl. OLG Celle v. 21.01.15, Gz: 17 W 28/14).

    Inter* Personen können zur Änderung des Geschlechtseintrags ein gerichtliches Verfahren nach § 48 I PStG beantragen, das für Berichtigung von Fehlern im Geburtsregister vorgesehen ist (§ 47 Absatz 2 Nr. 1 PStG).