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„Jung war ja wohl gestern!“ – zu alt für den Job?

"Jung war ja wohl gestern!" - zu alt für den Job?

Der Fall

Herr J., 53 Jahre alt, ist auf der Suche nach einem neuen Job. Anfangs ist er motiviert, offen und bereit, sich neuen Herausforderungen zu stellen. „Junges, dynamisches Team sucht Dich!“, „Sie sollten zwischen 18 und 35 Jahre alt sein“, „Wir suchen junges, engagiertes Personal für den Vertrieb“… - Immer wieder stößt Herr J. bei seiner Arbeitsplatzsuche auf solche und ähnliche Anzeigen, die nur junge Bewerber*innen ansprechen. Da er alle Qualifikationen mitbringt, bewirbt er sich dennoch auf eine entsprechende Stelle im Vertrieb eines ortsansässigen Unternehmens Dieses sagt ihm ohne Begründung ab und Herr J. wendet sich an die Antidiskriminierungsstelle. Er möchte wissen, ob solche Stellenanzeigen eine Altersdiskriminierung darstellen und wie er sich dagegen wehren kann.

Rechtliche Einordnung

Stellenausschreibungen, die sich nur an Bewerber*innen eines bestimmten Alters richten, verstoßen gegen das im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geregelte Gebot altersneutraler Stellenausschreibungen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet Benachteiligungen im Erwerbsleben aufgrund des Alters (§ 7 in Verbindung mit § 1 AGG). Dieses Benachteiligungsverbot gilt auch für Stellenausschreibungen (§ 11 AGG). Daraus folgt, dass Stellen grundsätzlich altersneutral auszuschreiben sind. Dadurch soll verhindert werden, dass sich bestimmte Bewerber*innen von vornherein nicht angesprochen fühlen und sich deshalb nicht bewerben. Ausschreibungen, die sich explizit nur an „junge“ Menschen oder solche bspw. zwischen 18 und 35 Jahren richten, verstoßen eindeutig gegen das Gebot benachteiligungsfreier Stellenausschreibungen.
Anders können hingegen Anzeigen zu beurteilen sein, die von einem „jungen Team“ sprechen. Verschiedene Landesarbeitsgerichte stellten klar, dass dies im Einzelfall auch als Aussage über die derzeit aktuelle Zusammensetzung des Teams verstanden werden kann. Der Bedeutungsgehalt des Wortes „jung“ ist anhand des Kontextes im konkreten Einzelfall zu ermitteln (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 08.08.2013 – 26 Sa 1083/13, LAG Kiel, Urteil vom 29.10.2013 – 1 Sa 142/13). Vorliegend spricht vieles dafür, „Junges, dynamisches Team sucht Dich!“ als Verweis auf das Alter der Bewerber*innen zu verstehen, da das junge Team in Verbindung mit einer Ansprache per „Du“ auf ein gewünschtes junges Alter anspielt. Das „Alter“ ist nur eines von den Merkmalen, die vom AGG erfasst werden.
Die Durchsetzung der Verbote des AGG muss allein von den Betroffenen in die Hand genommen werden. So sind an die Veröffentlichung der Anzeige selbst noch keine rechtlichen Konsequenzen geknüpft. Werden allerdings Bewerbungen von Personen abgelehnt, die – wie in diesem Fall – nicht den Altersvorstellungen der Arbeitgebenden entsprechen, kann dies für die Betroffenen ein wichtiger Anhaltspunkt vor Gericht sein.
Grundsätzlich müssen die Betroffenen nachweisen, dass sie benachteiligt wurden und dass dieses wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals geschah. § 22 AGG sieht insoweit eine Erleichterung vor, als dass für den Nachweis des Zusammenhangs mit dem Merkmal Indizien ausreichen. Ein solches Indiz ist eine Stellenanzeige, die gegen § 11 AGG verstößt. Demnach wird vermutet, dass eine Ablehnung von ansonsten geeigneten Bewerbenden diskriminierend ist. Die Arbeitgeber haften dann nur dann nicht für einen AGG-Verstoß, wenn sie nachweisen können, dass die Einschränkung des Kreises der Bewerbenden rechtlich zulässig war.
Das AGG sieht in seinen §§ 8 und 10 Ausnahmen vom Verbot der Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Solche Ausnahmen gelten insbesondere, wenn ein bestimmtes Alter eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt und die Beschränkung verhältnismäßig ist, wie es bspw. bei der Einstellung von Polizist*innen und Feuerwehrleuten der Fall ist, die aufgrund der besonderen Leistungsanforderungen durch Altershöchstgrenzen beschränkt werden. Wenn kein anerkannter sachlicher Grund gegeben ist, haben Bewerber*innen, die wegen ihres Alters abgelehnt wurden, verschiedene Rechte nach dem AGG, mit denen sie sich gegen die Diskriminierung zur Wehr setzen können. Zunächst können betroffene Personen sich nach § 13 AGG bei der Beschwerdestelle des Arbeitgebers beschweren, denn auch Bewerberinnen und Bewerber gelten als Beschäftigte im Sinne des AGG (§ 6 Abs. 1 S. 2 AGG). Daneben können sie nach § 15 AGG Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen. Allerdings gibt das AGG keinen Anspruch auf den begehrten Arbeitsplatz (§ 15 Absatz 6 AGG). Wichtig ist, dass die Ansprüche innerhalb von zwei Monaten schriftlich beim Arbeitgeber geltend gemacht werden müssen (§ 15 Absatz 4 AGG). Bis spätestens drei Monate nach der schriftlichen Geltendmachung beim Arbeitgeber können sie beim Arbeitsgericht eingeklagt werden (§ 61 b Absatz 1 Arbeitsgerichtsgesetz). Wird eine dieser Fristen versäumt, sind die Ansprüche nicht mehr durchsetzbar. Die Frist beginnt, wenn die Betroffenen Kenntnis von der Benachteiligung erhalten haben, also in der Regel mit der diskriminierenden Ablehnung der Bewerbung.

Ergebnis / Beilegung

Die Antidiskriminierungsstelle wandte sich in Absprache mit Herrn J. an das Unternehmen und machte dort die Personalstelle auf die Vorschriften des AGG aufmerksam. Eine rechtlich haltbare Begründung, warum die neu Einzustellenden nicht älter als 35 Jahre alt sein sollten, gab es nicht. „Bessere Chancen im Vertrieb“ und „bessere Integration in das junge Team“ sind keine „wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderungen“, wie sie § 8 AGG verlangt. Untersuchungen haben ergeben, dass sowohl ethnisch als altermäßig gemischte Teams die besseren Arbeitsergebnisse erreichen. Die Antidiskriminierungsstelle konnte erreichen, dass das Unternehmen seine Einstellungspolitik überdachte und Altersgrenzen ab sofort aufhob.

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