„Ihre Behinderung ist uns zu gefährlich“ – Fitnessstudio kündigt Mitgliedschaft

Der Fall
Anna L. ist seit über acht Jahren Mitglied in einem Fitnessstudio. Vor einiger Zeit beginnt sie, einen Rollstuhl zu nutzen. An ihrer Mitgliedschaft und ihrem Trainingsverhalten ändert sich zunächst nichts.
Dann jedoch kommt es zu mehreren belastenden Situationen: Ein stellvertretender Studioleiter teilt ihr mit, dass Barrierefreiheit aktuell „Diskussionsthema“ sei und künftig keine Verträge mehr mit Rollstuhlnutzenden abgeschlossen würden – dies sei im Notfall zu gefährlich. Wenige Tage später wird Anna L. der Zutritt zum Studio verweigert. Der Studioleiter erklärt, er könne nicht garantieren, dass sie im Falle eines Notfalls – etwa bei Feuer – rechtzeitig das Gebäude verlassen könne. Noch am selben Tag kündigt das Studio den Vertrag schriftlich – mit Verweis auf ihre „gesundheitliche Veränderung“ und die fehlende Barrierefreiheit der Räumlichkeiten.
Anna L. wendet sich daraufhin an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und bittet um eine rechtliche Einschätzung.
Einordnung/Einschätzung
Menschen mit Behinderungen sind durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor Benachteiligungen geschützt, auch in Alltagsbereichen wie der Nutzung von Fitnessstudios. Verträge mit Fitnessstudios gelten als sogenannte Massengeschäfte (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG), für die der Diskriminierungsschutz greift.
Sowohl die Zutrittsverweigerung als auch die Kündigung des Vertrags wurden offen mit der Rollstuhlnutzung – und damit mit der Behinderung von Anna L. – begründet. Vergleichbare Personen ohne Behinderung wären in gleicher Lage nicht ausgeschlossen worden.
Das AGG erlaubt unterschiedliche Behandlungen nur, wenn sie sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sind – etwa zur Vermeidung konkreter Gefahren. Im vorliegenden Fall wurde jedoch pauschal auf ein potenzielles Risiko im Brandfall verwiesen. Solche abstrakten Gefahrenannahmen reichen in der Regel nicht aus. Stattdessen hätten mildere Maßnahmen geprüft werden müssen – etwa individuelle Gefahrenaufklärung oder die Möglichkeit gezielter Hilfeleistungen im Notfall.
Welche Rechte hat Anna L.?
Frau L. kann unter anderem folgende Ansprüche nach dem AGG geltend machen: Schadensersatz nach § 21 Abs. 2 Satz 1 AGG – etwa für Mehrkosten bei der Nutzung eines anderen Studios mit vergleichbarem Angebot.
Entschädigung nach § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG – für die erfahrene Diskriminierung. Ob sich zusätzlich ein Anspruch auf Fortführung des Vertrags aus dem Beseitigungsanspruch (§ 21 Abs. 1 AGG) ergibt, ist rechtlich bislang nicht abschließend geklärt. Die Antidiskriminierungsstelle hat sich hierzu in einem Standpunktepapier positioniert.
Unabhängig davon kann eine Kündigung, die allein auf diskriminierenden Gründen beruht, auch nach allgemeinen zivilrechtlichen Maßstäben – insbesondere aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) – unzulässig sein. Die Antidiskriminierungsstelle informiert Anna L. über ihre rechtlichen Möglichkeiten und weist auf die Option hin, mit Zustimmung eine gütliche Einigung mit dem Studio anzustreben.
Fazit
Auch wenn die Studioleitung möglicherweise nicht in diskriminierender Absicht handelte, ist entscheidend, dass Anna L. einen tatsächlichen Nachteil aufgrund ihrer Behinderung erlitten hat. Das AGG schützt in solchen Fällen und bietet Betroffenen Handlungsoptionen, um sich gegen Benachteiligungen zur Wehr zu setzen.