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„Kopftuch auf? Tür zu!“

Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft

Der Fall

Frau E. wandte sich mit der Bitte um Beratung an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, weil sie sich durch das Verhalten einer Busfahrerin und einer Mitarbeiterin der Verkehrsgesellschaft benachteiligt sah. Sie berichtete, dass sie gemeinsam mit ihren Kindern und einer Freundin von einer Busfahrerin nicht mitgenommen worden war. Zunächst habe der Bus zwar gehalten. Als sie jedoch mit dem Kinderwagen hinten in den Bus einsteigen wollten, habe die Busfahrerin die Bustür zugemacht. Dabei sei ihr Kind fast verletzt worden. Die Betroffene und ihre Freundin sind Musliminnen und tragen ein Kopftuch.
Nach dem Vorfall wandte Frau E. sich an die Servicezentrale des Busunternehmens. Dort sagte ihr die zuständige Mitarbeiterin, dass sie und ihre Freundin selbst schuld seien. Sie sollten ihr Kopftuch ablegen, dann würden sie auch „in Deutschland respektiert“ werden.

Einordnung / Einschätzung

Solche Vorfälle rassistischer bzw. antimuslimischer Diskriminierung im öffentlichen Nahverkehr – häufig auch durch Fahrkartenkontrolleur*innen oder Mitfahrende - kommen im Alltag immer wieder vor. Da durch den Fahrkartenkauf in der Regel ein Vertragsverhältnis mit den Verkehrsunternehmen besteht, kann das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) für Betroffene Schutz bieten.
Das AGG enthält in § 19 ein zivilrechtliches Benachteiligungsverbot. Dieses Verbot schützt vor Benachteiligungen bei bestimmten privaten Rechtsgeschäften, also immer dann, wenn es um den Abschluss, die Durchführung oder die Beendigung vertraglicher Beziehungen geht – darunter fällt auch die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs. Betroffene können bei einem Verstoß gegen dieses Verbot Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche gegenüber dem Anbieter geltend machen.
Damit Frau E. solche Ansprüche geltend machen kann, muss sie nachweisen, dass sie aufgrund eines der im AGG genannten Diskriminierungsmerkmale von der Busfahrerin nicht mitgenommen wurde, also wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihres Geschlechts, der Religion, Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.
Im Fall von Frau E. kommen gleich mehrere dieser Merkmale in Betracht. Denkbar wäre eine Benachteiligung aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit und der Religion, da das Tragen des Kopftuchs einerseits ein religiöses Symbol darstellt, gleichzeitig aber auch ein äußeres Merkmal ist, aufgrund dessen häufig die automatische Zuschreibung zu einer bestimmten ethnischen Gruppe erfolgt – unabhängig davon, ob diese zutreffend ist oder nicht.

Dabei reicht es nach § 22 des AGG aus, dass Betroffene für den Zusammenhang zwischen der Benachteiligung und dem Diskriminierungsmerkmal Indizien vorbringen. Das heißt: Es müssen Umstände geltend gemacht werden, die es überwiegend wahrscheinlich werden lassen, dass die Benachteiligung gerade wegen des Diskriminierungsmerkmals erfolgte.
In diesem Fall hat die Busfahrerin nicht selbst gesagt, warum sie Frau E. nicht mitnahm. Eine Begründung gab es erst bei der Servicezentrale. Die Aussage der Servicezentrale lässt vermuten, dass es zumindest bei einigen Mitarbeitenden eine rassistische Einstellung gibt. Auch sind keine Gründe ersichtlich, weshalb es gerechtfertigt gewesen wäre, die Bustür vor Frau E. zu schließen. Letztlich liegt es allerdings in Fällen wie diesen bei den Gerichten, ob sie die Indizien im konkreten Fall ausreichend ansehen, um eine überwiegende Wahrscheinlichkeit zu ergeben.

Möglichkeiten / Beilegung

Unabhängig davon, ob der genannte Fall Chancen vor Gericht hätte: Es besteht immer die Möglichkeit, sich außergerichtlich zu einigen. Hier kann die Antidiskriminierungsstelle des Bundes unterstützend tätig werden, um zwischen den Parteien zu vermitteln. Das ist in diesem Fall auch geschehen: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wandte sich mit der Bitte um eine Stellungnahme an das Busunternehmen, das daraufhin ein Gespräch zwischen Frau E. und der Unternehmensführung organisierte und sich bei ihr entschuldigte. Außerdem versprach die Geschäftsleitung, entsprechende Sensibilisierungsmaßnahmen im Bereich Antidiskriminierung für das Unternehmen in die Wege zu leiten.

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