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„Taschenkontrolle! Aber nur bei Ihnen.“

Der Aktuelle Fall: „Taschenkontrolle! Aber nur bei Ihnen“

Der Fall

Herr P. will kurz einen Einkauf vor dem Urlaub erledigen. In einer großen Kaufhauskette kauft er Flipflops. Auf eine Quittung verzichtet er wegen des geringen Kaufbetrags und geht mit den Flipflops in der Hand zum Ausgang. Vor dem Ausgang wird er vom Ladendetektiv aufgehalten, der die Quittung sehen möchte. Zurück an der Kasse bestätigt der Kassierer dem Ladendetektiv, dass Herr P seinen Einkauf bezahlt hat, das Missverständnis ist aufgeklärt. Dennoch will der Detektiv nun auch noch den Rucksack von Herrn P. kontrollieren. Herr P. lässt das über sich ergehen, um die unangenehme Situation schnell zu beenden. Obwohl zahlreiche weitere Kund*innen im Geschäft mit Rucksack einkaufen gehen, wird nur Herr P. gefragt, die einzige Schwarze Person im Geschäft. Zahlreiche weitere Personen können das Geschehen beobachten, was von ihm als sehr erniedrigend wahrgenommen wird. Mit Bitte um eine Beratung wendet er sich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Einordnung / Einschätzung

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft oder einer rassistischen Zuschreibung. Der Schutz des AGG erstreckt sich dabei auf das Arbeitsleben und auf Geschäfte des täglichen Lebens, wie etwa beim Einkaufen. Wenn private Sicherheitsleute jemanden ohne sachlichen Grund allein aufgrund der (vermeintlichen) Herkunft oder einer rassistischen Zuschreibung kontrollieren und ein rechtswidriges Verhalten unterstellen („Racial Profiling“), kann das AGG helfen.

Der Ladendetektiv könnte durch die anlasslose Taschenkontrolle das Benachteiligungsverbot aus §19 Abs. 1 Nr. 1 AGG verletzt haben. Betroffene Personen haben dann gegenüber dem Vertragspartner einen Unterlassenanspruch sowie möglicherweise einen Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruch. Dieser Anspruch muss innerhalb von zwei Monaten gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden. Damit Herr P. solche Ansprüche geltend machen kann, muss er nachweisen, dass er aufgrund eines der im AGG genannten Diskriminierungsmerkmale, hier aufgrund rassistischer Zuschreibungen, kontrolliert worden ist. Dafür muss er im Streitfall zumindest sogenannte Indizien vortragen und beweisen können, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung gerade wegen rassistischen Zuschreibungen erfolgt ist.

Kontrolle mitgeführter Taschen an der Kasse eines Einzelhandelsmarktes sind nur zulässig, wenn ein konkreter Diebstahlsverdacht vorliegt (Bundesgerichtshof vom 3. November 1993, VIII ZR 106/93). In diesem Fall gab der Ladendetektiv an, dass es sich um eine „Routinekontrolle“ gehandelt habe und diese „Teil seines Jobs“ sei. In Bezug auf Herrn P. ist auffällig, dass nur sein Rucksack kontrolliert wurde, obwohl auch andere Kund*innen Rucksäcke und Taschen mitführten und der Kassierer zweifelsfrei bestätigen konnte, dass Herr P. seinen Einkauf bezahlt hatte. Es wurden also aus Sicht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes keine Anhaltspunkte genannt, die einen Anlass dazu gegeben haben könnten, den Rucksack von Herrn P. zu kontrollieren und ihn damit in der Öffentlichkeit zu diskreditieren.

Im Streitfall liegt es in Fällen wie diesen bei den Gerichten, ob sie die Indizien im konkreten Fall als ausreichend ansehen. In einem solchen Fall trägt der Vertragspartner die Beweislast, dass kein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vorliegt („Beweislastumkehr“). 

Möglichkeiten / Beilegung

Immer wieder wenden sich Betroffene an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, um Fälle von Racial Profiling durch die Polizei oder durch private Sicherheitsleute zu melden und rechtliche Beratung zu erhalten. Die Betroffenen fühlen sich aufgrund der Willkürlichkeit der Kontrollen oft stigmatisiert und bloßgestellt.
Herr P. bat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes daher darum, sich mit der Geschäftsführung des Kaufhauses in Verbindung zu setzen und Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Da die Antidiskriminierungsstelle des Bundes über keine Klagebefugnisse verfügt, hat sie diesbezüglich an eine nichtstaatliche Antidiskriminierungsberatung vor Ort verwiesen, die Betroffene in einem Rechtsstreit unmittelbar unterstützen kann.

In einem ähnlich gelagerten Fall urteilte das Amtsgericht (AG) Konstanz bereits im Jahr 2019 zugunsten einer betroffenen Person. Diese wurde ebenfalls in einem Geschäft aufgrund der Hautfarbe von dem diensthabenden Ladendetektiv aufgefordert ihren Ausweis vorzuzeigen – ohne, dass zusätzlich eine individuelle und konkrete Verdachtslage vorlag. Das Gericht sah darin eine unmittelbare Benachteiligung der Schwarzen Person wegen der ethnischen Herkunft und sprach eine Entschädigung zu (AG Konstanz, Urteil vom 17.01.2019-11 C 69/18).

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bat zur Unterstützung des Herrn P. in seinem Einverständnis den Geschäftsinhaber des Kaufhauses um eine Stellungnahme, mit dem Ziel eine gütliche Einigung zu erreichen. Der Geschäftsinhaber entschuldigte sich daraufhin bei Herrn P. für die falsche Verdächtigung und die dadurch erlittenen Unannehmlichkeiten und bot ihm als Geste der Wiedergutmachung einen Einkaufsgutschein an.

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