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„Ausgebremst – Karriereknick Eltern(teil)zeit“

Der aktuelle Fall: "Ausgebremst - Karrieknick Eltern(teil)zeit"

Sachverhalt

Frau A. ist in Vollzeit als Abteilungsleiterin bei einem Unternehmen tätig, wo sie vorwiegend organisatorische und delegierende Aufgaben hat. Das ist auch in ihrem Arbeitsvertrag so festgelegt. Unternehmensintern traut man ihr zu, sie nach wenigen Jahren auf den Posten der Bereichsleitung zu befördern. Nach einiger Zeit wird sie schwanger und geht für ein halbes Jahr in Elternzeit. Danach möchte sie, zunächst in Elternteilzeit, wiedereinsteigen. Frau A. und der Arbeitgeber einigen sich und vereinbaren für die Dauer eines Jahres einen Stundenumfang von 50 %. Frau A. geht davon aus, dass sie direkt wieder die Abteilung leiten wird, zumindest anteilig. Der Arbeitgeber teilt ihr mit, dass dies nicht möglich sei. Die Leitungsaufgaben würden momentan von einem Kollegen übernommen, der in Vollzeit arbeitet, was für eine Leitungsfunktion wichtig wäre. Nach einigem Verhandeln lässt sich Frau A. darauf ein, als untergeordnetes Teammitglied in die Abteilung zurückzukehren Allerdings ist sie von den neuen Aufgaben nicht nur unterfordert, sie kann sich ohne die Führungsaufgaben auch kaum für die Beförderung zur Bereichsleitung unter Beweis stellen. Nach dem vereinbarten Jahr möchte Frau A. wieder in die Vollzeit zurückkehren und damit auch endlich wieder ihre Leitungsaufgaben übernehmen. Der Arbeitgeber lehnt beides ab. Er teilt ihr mit, im Unternehmen sei nun kein Bedarf mehr. Der Kollege, der während ihrer Elternzeit und Elternteilzeit die Abteilungsleitung übernommen hat, würde dies auch weiterhin tun. Im Gegensatz zu ihr sei bei ihm nicht zu befürchten, dass er demnächst wieder in Elternzeit oder Elternteilzeit gehen werde. Sie könne weiterhin in Teilzeit als untergeordnetes Teammitglied arbeiten. Frau A wendet sich ratsuchend an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Rechtliche Einordnung:

Frau A. wurde die Rückkehr in ihre vorherige Führungsposition sowie in die Vollzeittätigkeit ausschließlich deshalb verweigert, weil sie in Elternzeit gegangen ist und anschließend in Elternteilzeit gearbeitet hat. Das steht in Widerspruch zum Verbot geschlechtsbezogener Diskriminierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).

Da noch immer überwiegend Frauen Elternzeit in Anspruch nehmen, kann es eine mittelbare Benachteiligung darstellen, wenn der Arbeitgeber einen Nachteil an die Inanspruchnahme von Elternzeit anknüpft (EuGH, Urteil vom 08.05.2019 – C-486/18; LAG Thüringen, Urteil vom 12.1.2016 – 1 Sa 252/15). Eine solche mittelbare Benachteiligung liegt nur dann nicht vor, wenn damit ein rechtmäßiges Ziel verfolgt wird und die Regelung geeignet, erforderlich und angemessen ist, um dieses Ziel zu erreichen (§ 3 Abs. 2 AGG).

Rechtmäßig hat sich der Arbeitgeber gegenüber Frau A. aber deshalb nicht verhalten, weil er weder seine Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag, noch die Vorschriften des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) beachtet hat.

Während der Elternzeit ruhen die Hauptpflichten des Arbeitsvertrages. Danach leben sie aber wieder auf. Dies gilt auch, wenn Beschäftigte – wie hier Frau A. – nach der Elternzeit in Elternteilzeit gehen. Elternteilzeit ist ebenso wie Elternzeit im BEEG geregelt (§ 15 Absatz 5 bis 7 BEEG) und bedeutet lediglich eine Verringerung der Arbeitszeit. Da im Arbeitsvertrag von Frau A. festgelegt ist, dass sie organisatorische und delegierende Aufgaben übernimmt, hätte sie auch während der Elternteilzeit einen Anspruch hierauf gehabt. Der Arbeitgeber hätte ihr lediglich die Teilzeit an sich verweigern können, wenn es dringende betriebliche Gründe dafür gegeben hätte.

Auch die Vollzeittätigkeit hätte ihr nach der vollständigen Rückkehr wieder ermöglicht werden müssen. § 15 Absatz 5 Satz 4 BEEG bestimmt, dass Beschäftigte nach der Elternzeit das Recht haben, zu der Arbeitszeit zurückzukehren, die vor Beginn der Elternzeit vereinbart war.

Im Rahmen des Weisungs- und Direktionsrechts (§ 106 GewO) des Arbeitgebers ist die Zuweisung einer anderen Tätigkeit zulässig, sofern die zugewiesene Tätigkeit nicht dem im Arbeitsvertrag festgelegten Aufgabenbereich zuwiderläuft. Je unbestimmter der festgelegte Aufgabenbereich ist, desto schwieriger ist die Einschätzung der Frage, ob die zugewiesene Tätigkeit vom Arbeitsvertrag gedeckt ist. Schützenhilfe leistet hier das Unionsrecht. Die Europäischen Richtlinien zu diesem Thema besagen, dass Beschäftigte einen Anspruch darauf haben, an ihren früheren oder zumindest einen gleichwertigen Arbeitsplatz unter nicht weniger günstigen Bedingungen zurückzukehren (Artikel 10 Absatz 2 RL 2019/1158/EU; § 5 Nr. 1 RL 2010/18/EU). Arbeitgebende müssen diese Vorgabe beachten, wenn sie ihr Direktions- und Weisungsrecht ausüben. Wäre der Arbeitsvertrag von Frau A weniger detailliert gewesen, hätte sie sich auf die Vorgaben des Unionsrecht berufen können und die Zuweisung eines zumindest gleichwertigen Arbeitsplatzes verlangen können. (vergleiche auch Arbeitsgericht Wiesbaden, Urteil vom 30. Oktober 2008 – 5 Ca 632/08).

Im Ergebnis wird Frau A. daher wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Auf der Grundlage des AGG kann sie einen Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung geltend machen. Ihre Leitungsfunktion und die Vollzeitbeschäftigung kann sie mit dem AGG allerdings nicht einklagen. Hier müsste sie arbeitsrechtlich vorgehen. Der Arbeitgeber ist gemäß §§ 611a, 613 in Verbindung mit § 242 Bürgerliches Gesetzbuch zur vertragsgemäßen Beschäftigung verpflichtet. Frau A. könnte beim Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung beantragen um die vertragsgemäße Beschäftigung sowie ihr Recht auf Rückkehr zur ursprünglich vereinbarten Arbeitszeit nach § 15 Absatz 5 Satz 4 BEEG durchzusetzen.

Ergebnis:

Ein außergerichtlicher Einigungsversuch durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes blieb im Fall von Frau A. erfolglos. Der Arbeitgeber wollte keine Stellung nehmen und blieb unkooperativ. Frau A. lässt sich nun anwaltlich beraten und überlegt, ob sie sowohl den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung, als auch die Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz vor den hierfür zuständigen Arbeitsgerichten einklagt. Das Beispiel von Frau A. zeigt, dass Elternzeit und Teilzeit das Risiko von Diskriminierungen bergen, die sich weiter verfestigen können: Frau A. hat nicht nur ihre früheren Aufgaben verloren, ihr entgehen auch Karrierechancen, die letztendlich auch Einkommenseinbußen nach sich ziehen.

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