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Übernachtungsbesuch? Für Homosexuelle verboten

Übernachtungsbesuch? Für Homosexuelle verboten

Der Fall

Andreas B. wohnt seit fünf Jahren in einer Altbauwohnung in einem größeren Mietshaus. Seine Vermieterin, Eigentümerin von zwei Mietshäusern mit mehr als 50 Wohneinheiten, agierte bisher sehr professionell und zuverlässig. Dann lernt Andreas Manuel K. kennen und die beiden werden Paar. Kurze Zeit später erteilt der Hausverwalter Manuel K. plötzlich Hausverbot. Die Begründung: Gleichgeschlechtliche Beziehungen entsprächen „nicht dem Vermietungskonzept“ und würden „die häusliche Atmosphäre und den Hausfrieden stören“. Als wäre das nicht schon genug, erleben Andreas B. und Manuel K. regelmäßig homophobe Anfeindungen durch ein heterosexuelles Ehepaar, das in der Wohnung unter Andreas B. lebt. Diese beschimpfen die beiden Männer als „Schwuchteln“. Andreas B. und sein Lebensgefährte sind extrem verunsichert und treffen sich inzwischen nur noch bei Manuel K. in der Wohnung. In seiner Ratlosigkeit wendet sich Andreas B. an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit der Bitte um Beratung.

Einordnung / Einschätzung

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt vor zivilrechtlichen Benachteiligungen aufgrund der sexuellen Identität auch im Bereich von Mietwohnungen (§ 2 Abs.1 Nr.8 AGG). Voraussetzung ist, dass es sich bei der Vermietung um ein Massengeschäft oder massengeschäftsähnliches Geschäft im Sinne von § 19 I Nr. 1 AGG handelt.  Hiervon ist gemäß § 19 Abs. 5 S.2 AGG regelmäßig auszugehen, wenn die vermietende Partei mehr als 50 Wohnungen vermietet. Da es sich bei der Vermieterin von Andreas B. um eine  Vermieterin handelt, die mehr als 50 Wohnungen vermietet, fällt Andreas B.‘s Mietvertrag unter den Schutz des AGG.

Gemäß § 21 Abs.1 AGG können Betroffene bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Wenn weitere Beeinträchtigungen zu befürchten sind, können Betroffene Unterlassung verlangen. Darüber hinaus können Betroffene als Ausgleich für die mit der Diskriminierung verbundene Persönlichkeitsrechtsverletzung zusätzlich eine Entschädigung gemäß § 21 Abs.2 AGG geltend machen.

Andreas B und Manuel K. fragen sich, ob sie die Ansprüche gegenüber der Hausverwaltung geltend machen müssen oder gegenüber der Vermieterin. Ob die Vermieterin die Hausverwaltung angewiesen hat, so zu agieren, ist unklar. Auf Nachfrage von Andreas B. möchte sie sich zu dem Vorfall nicht äußern.

Auch wenn das Hausverbot von der Hausverwaltung ausgesprochen wurde, können die genannten Ansprüche nur gegenüber der Vermieterin geltend gemacht werden, da das AGG nur zwischen den Vertragsparteien zur Anwendung kommt. Die Vermieterin kann aber nur dann für das Verhalten der Hausverwaltung haftbar gemacht werden, wenn ihr das Verhalten des Hausverwalters zugerechnet werden kann. Da der Hausverwalter im Rahmen seiner übertragenen Aufgaben tätig geworden ist, ist das hier der Fall.

Da das AGG grundsätzlich nur zwischen den Parteien eines Mietvertrages zur Anwendung kommt, ist nur Andreas B. anspruchsberechtigt. Dies setzt allerdings voraus, dass Andreas B. benachteiligt wurde. Das Hausverbot richtet sich zwar an Manuel K., der selbst nicht Mieter ist. Allerdings tangiert das Hausverbot auch Andreas B, der hierdurch seine Wohnung nicht so nutzen kann, wie er möchte. Da das Hausverbot damit begründet wurde, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen gegen das Vermietungskonzept verstoßen, ist davon auszugehen, dass er im Vergleich zu anderen Mietparteien wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt wird.

Andreas B. und Manuel K. würden gerne auch gegen die homophoben Belästigungen des benachbarten Ehepaars vorgehen. Da Nachbar*innen in einem Mietshaus nicht zueinander in einer vertraglichen Beziehung stehen, findet das AGG hier keine Anwendung. Das AGG schützt vor solchen Belästigungen nicht. Ihnen bliebe aber die Möglichkeit, strafrechtlich gegen die Belästigungen vorzugehen und Anzeige zu erstatten. Der Begriff „Schwuchtel“ erfüllt in jedem Fall die Anforderungen an eine Beleidigung. 

Ergebnis / Beilegung

Andreas B. kann Ansprüche auf eine Entschädigung gegenüber seiner Vermieterin geltend machen und verlangen, dass das Hausverbot gegenüber seinem Partner aufgehoben wird. Der Fall macht aber auch die rechtlichen Schutzlücken im Bereich des Mietrechts deutlich. So besteht ein Schutz vor Diskriminierung nur, wenn Vermietende mehr als 50 Wohnungen vermieten. Weitergehend ist hingegen der Schutz vor Diskriminierung auf Grund der ethnischen Herkunft. Hier besteht gemäß § 19 Absatz 2 AGG eine solche Einschränkung nicht.

Rechtlich kompliziert wird es, wenn diskriminierende Verhaltensweisen von Dritten ausgehen wie beispielsweise der Hausverwaltung oder den Nachbarn. Wie der geschilderte Fall deutlich macht, bestehen Haftungsansprüche nach dem AGG nur gegenüber der Vertragspartei. Werden Dritte diskriminiert, die nicht selbst Vertragspartei sind, wie hier Manuel K., können diese keine Ansprüche nach dem AGG geltend machen.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes fordert daher im Mietrecht eine Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf drittbezogene Diskriminierungen.[1]

Im konkreten Fall bot die Antidiskriminierungsstelle Andreas B. an, im Rahmen einer gütlichen Einigung für ihn tätig zu werden. Andreas B. reichte die Beratung jedoch aus, er wollte im Anschluss selbst seine Ansprüche gegenüber der Vermieterin geltend machen.

[1] Vgl. auch Evaluation des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, Büro für Recht und Wissenschaft GbR mit wissenschaftlicher Begleitung von Prof. Dr. Christiane Brors p. 124- 129

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