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Lesbisch und Kinderwunsch? - das macht der Computer nicht mit!

Lesbisch und Kinderwunsch? – das macht der Computer nicht mit!

Der Fall

Partner*innen in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung müssen bei der Familienplanung immer noch viele Hürden überwinden. Trotz rechtlicher Änderungen wie der „Ehe für Alle“ im Oktober 2017 sind sie im Vergleich zu heterosexuellen Paaren Diskriminierungsrisiken ausgesetzt.
So wird beispielsweise bei lesbischen Paaren mit Kinderwunsch grundsätzlich kein Zuschuss zur Behandlung durch die Gesetzliche Krankenversicherung gezahlt, was bei heterosexuellen Paaren in der Regel anders ist. Eine Änderung wurde im aktuellen Koalitionsvertrag angekündigt.

Derzeit erleben homosexuelle Paare jedoch weiter Diskriminierung – so auch das lesbische Ehepaar B. und O. Beide wünschen sich ein Kind und sind deshalb in der Kinderwunschklinik von Arzt Z. in Behandlung. Dort bemerken sie, dass auf den ausgestellten Ausdrucken B. als „Patientin“, die Ehepartnerin O. jedoch als „Patient“ oder „M“ bezeichnet wird. Auch die Schreiben der Klinik an O. sind stets mit der Anrede „Herr“ versehen. Zudem findet sich in den Formularen der Klinik als „Diagnose“ der B. „Homosexualität“.
B. und O. bitten die Klinik daraufhin, die Anrede von O. zu korrigieren, sowie „Homosexualität“ nicht als Krankheitsbild in den ausgestellten Formularen aufzuführen. Der behandelnde Arzt Z. lehnt dies ab. Seine Begründung: Das Computerprogramm „sei eben so“ und könne nicht einfach geändert werden.

Mit Bitte um Beratung wendet sich das Paar nun an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Einordnung / Einschätzung

Ob das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auf medizinische Behandlungsverträge Anwendung findet, ist rechtlich umstritten und gerichtlich bisher nicht abschließend geklärt. Die Antidiskriminierungsstelle vertritt die Auffassung, dass das AGG anwendbar ist. Eine ausführliche rechtliche Bewertung dazu lässt sich in unseren Standpunkten Nr. 1 – 09/2020 nachlesen.
Aufgrund der Angaben von B. und O. kommt hier eine Benachteiligung wegen der sexuellen und geschlechtlichen Identität in Betracht. Eine Anrede entgegen der geschlechtlichen Identität stellt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, die Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche auslöst. Dies entschied bereits 2019 das Landgericht Frankfurt am Main (LG Frankfurt, Urteil vom 03. Dezember 2020 – 2-13 O 131/20).
Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe bestätigte diese Rechtsauffassung jüngst und stellte darüber hinaus fest, dass auch eine Benachteiligung wegen des Geschlechts im Sinne des AGG gegeben ist (OLG Karlsruhe vom 14.12.21 – 24 U 19/21).

Auch wenn es bei den genannten Urteilen um nicht-binäre Personen ging, lässt sich die Argumentation nach Auffassung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes auch auf Personen übertragen, bei denen die zugewiesene und die empfundene Geschlechtsidentität übereinstimmen: Im Falle des Ehepaars O. und B. insbesondere, weil O. zugleich aufgrund ihrer sexuellen Identität nicht dem gesellschaftlichen Stereotyp eines zweiten Elternteils entspricht. Auch die Formulierung „Diagnose: Homosexualität“ könnte eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der B. und O. darstellen. Denn dadurch wird suggeriert, dass es sich bei Homosexualität um ein Krankheitsbild handelt, welches geheilt werden könne (und solle). Dies ist einerseits herabwürdigend und widerspricht andererseits wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Realität.

Ein rechtfertigender Grund für die genannten Benachteiligungen ist nicht bereits darin zu sehen, dass das Computerprogramm die Eingaben vorsieht. Personen, von denen Persönlichkeitsrechtsverletzungen ausgehen, haben alle zumutbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Beeinträchtigung auszuschließen. Das kann auch heißen, Änderungen am Programm vorzunehmen oder auf ein anderes System zurückzugreifen. Ein gewisser Mehraufwand ist dabei hinzunehmen.

Ergebnis / Beilegung

Nach einer ersten rechtlichen Einschätzung bat die Beratung im Einverständnis des Ehepaars die Klinik bzw. Z. um eine Stellungnahme zu dem Sachverhalt, mit dem Ziel eine gütliche Einigung zu erreichen. Die Klinik antwortete nicht auf das Schreiben. Stattdessen reagierte der behandelnde Arzt Z. mit einem Anruf bei den beiden Partnerinnen, bei der er die erfolgte Diskriminierung abstritt und sich über die zusätzliche Arbeit beschwerte. Zudem argumentierte er erneut, das Computersystem sei gar nicht bzw. nur unter sehr erschwerten Bedingungen zu ändern. B. und O. beschlossen daraufhin, sich anwaltlich beraten zu lassen und ein weiteres rechtliches Vorgehen zu prüfen. Zudem reichten sie bei der zuständigen Landesärztekammer eine Beschwerde gegen Z. ein.

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