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Schutz vor Diskriminierung im Schulbereich

Eine Analyse von Regelungen und Schutzlücken im Schul- und Sozialrecht sowie Empfehlungen für deren Fortentwicklung

- Steckbrief zum Forschungsprojekt -

Autor*innen: Prof. Dr. iur. Susanne Dern, Prof. Dr. iur. Alexander Schmidt, Dr. iur. Ulrike Spangenberg, im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2013

Kurzüberblick

Die Expertise untersucht, inwieweit das Schulrecht eine diskriminierungsfreie Bildungsteilhabe gewährleistet. Zudem werden Empfehlungen zur antidiskriminierungsrechtlichen Fortentwicklung des einschlägigen Rechts formuliert.

Wichtigste Ergebnisse

Rechtlicher Rahmen

  • Völker-und Europarecht

    Unmittelbar anwendbare Diskriminierungsverbote und konkrete Schutzvorgaben für den schulischen Bildungsbereich ergeben sich aus mehreren völkerrechtlichen Konventionen sowie aus der EU-Grundrechtecharta.

  • Verfassungsrecht

    Das Grundgesetz, insbesondere mit Art. 3, sowie die meisten Landesverfassungen, verpflichten die Legislative sowie die Exekutive in Gestalt der Schulleitung und der Lehrkräfte, eine diskriminierungsfreie Bildungsteilhabe zu gewährleisten, wobei dies sowohl den Schulzugang und -übergang als auch die Ausgestaltung des Schulbesuchs umfasst. Zugleich obliegt dem Staat eine Schutzpflicht gegenüber Schüler*innen vor Diskriminierungen durch andere Mitschüler*innen.

  • Gesetzesrecht

    Das AGG bietet als Bundesgesetz keinen Schutz vor Diskriminierungen für Schüler*innen, da Bildung in die Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer fällt. Maßgeblich sind insoweit die Gleichbehandlungsgesetze sowie die Schulgesetze der Länder, sodass der Diskriminierungsschutz insoweit bundesweit stark divergiert.

Rechtliche Pflichten

  • Das Recht auf inklusive Beschulung aus der UN-Behindertenrechtskonvention kann nicht im Wege eines allgemeinen Ressourcenvorbehalts eingeschränkt werden.
  • Völker- und verfassungsrechtlich sind die staatlichen Stellen verpflichtet, sowohl Kindern und Jugendlichen ohne Status als auch solchen mit einer Aufenthaltsgestattung oder Duldung den Schulbesuch zu ermöglichen.
  • Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum beinhaltet einen Anspruch auf die notwendigen Mittel für einen erfolgreichen Schulbesuch. Insbesondere das Recht auf inklusive Beschulung und die Gewährung des Schulbesuchsrechts aller Migrant*innen verlangt flankierende soziale Maßnahmen.
  • Glaubensbekundungen sind auch im Schulkontext verfassungsrechtlich von der Glaubensfreiheit geschützt. Eine Einschränkung sowie ein Verbot als ultima ratio können allein in Einzelfällen zur Wahrung des Schulfriedens oder aufgrund anderer Rechtsgüter zulässig sein.

Rechtliche Schutzlücken

  • Diskriminierungsverbote

    Bis dato haben nur wenige Schulgesetze ein allgemeines Verbot von unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierungen ausdrücklich formuliert.

  • Schulzugang/Schulübergang

    Die Regelungen über den Schulzugang enthalten nur teilweise Diskriminierungsverbote anhand einzelner Diskriminierungsmerkmale, nur selten werden jegliche im AGG aufgezählten Diskriminierungsmerkmale genannt. Ebenfalls mangelt es in Bezug auf Schulempfehlungen an klaren Kriterien zur Verhinderung von Diskriminierungen.

  • Schutz von Menschen mit Behinderung

    Allein das Schulgesetz in Niedersachsen sieht eine inklusive Beschulung ohne Ressourcenvorbehalt vor.

  • Gestaltung des Unterrichts

    Nur einzelne Schulgesetze enthalten erzieherische Zielvorgaben in Bezug auf Diskriminierung, deren Steuerungskraft allerdings gering ist. Ebenfalls fehlt größtenteils ein ausdrückliches Verbot, diskriminierende Unterrichtsmaterialien zuzulassen.

  • Diskriminierungsschutz durch Verfahren

    Nur wenige Länder sehen explizite und effektive Informations- und Beratungsstrukturen für den Umgang mit und das Vorgehen gegen Diskriminierungserfahrungen sowie entsprechende Beschwerderechte vor.

Handlungsoptionen

  1. Die rechtliche Fortentwicklung einer Antidiskriminierungskultur im schulischen Bildungsbereich erfordert eine Doppelstrategie, die einerseits auf die Schulgesetze sowie die Schließung der genannten rechtlichen Schutzlücken einschließlich mangelnder sozialer Unterstützungsleistungen und andererseits auf die verpflichtende Entwicklung von Antidiskriminierungskonzepten der einzelnen Schulen mit klaren Zuständigkeiten
  2. In den Schulgesetzen sollen klar formulierte und vertikal wie horizontal wirkende Diskriminierungsverbote geschaffen werden.
  3. Daneben sollte als weitere Diskriminierungskategorie für den schulischen Bildungsbereich diejenige der „sozialen Herkunft“ diskutiert werden. Speziell für den schulischen Bereich bedarf es einer expliziten Benennung des Mobbing als Diskriminierungsform.
  4. In den Schulgesetzen sollen Informations- und Beratungsrechte für Schüler*innen und Eltern sowie gesonderte und effektive Beschwerderechte nebst Zuständigkeiten installiert werden.
  5. Zur sozialen Kompensation von ungleichen Bildungschancen soll insbesondere in Bezug auf Schüler*innen mit Behinderung sowie für Statuslose und Migrant*innen mit Aufenthaltsgestattung und Duldung das Bildungs- und Teilhabepaket überarbeitet werden.

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