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Diskriminierungsschutz von Fürsorgeleistenden - Caregiver Discrimination

- Steckbrief zum Rechtsgutachten -

Autor*innen: Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M. (Harvard) und Lena Bleckmann, im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2022

Kurzüberblick

Die Stellungnahme setzt sich mit der Diskriminierung von Personen, die im privaten Bereich Fürsorgeverantwortung für Angehörige tragen, im Arbeitskontext auseinander. Dies geschieht insbesondere im Lichte der EU-Richtlinie 2019/1158.

Erörtert wird, wie die sogenannte Caregiver Discrimination bereits jetzt rechtlich erfasst werden kann, welche Defizite beim Schutz der Betroffenen bestehen und inwiefern hieraus sowie aus den Vorgaben der umzusetzenden Richtlinie Änderungsbedarf folgt.

Im Fokus steht auch, welche Rolle die Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Hinblick auf die Diskriminierung von Fürsorgeleistenden spielt und zukünftig spielen muss. Weiterhin wird der Umsetzungsbedarf im Rahmen des Vaterschaftsurlaubs näher beleuchtet.

Wichtigste Ergebnisse

Durch den begrenzten Anwendungsbereich das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, der auf die in § 1 AGG genannten Diskriminierungsgründe beschränkt ist, ergeben sich Schutzlücken zulasten Fürsorgeleistender. Lediglich als mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts kann die Caregiver Discrimination hier erfasst werden. Art. 11 der Richtlinie 2019/1158 könnte seiner Formulierung nach zwar als reines Maßregelungsverbot, wie es § 612a BGB vorsieht, verstanden werden, ein solch enges Verständnis ist jedoch nicht zwingend. Demgegenüber kann eine Fortschreibung des Diskriminierungsschutzes für Fürsorgeleistende entsprechend der Vorschriften des AGG insbesondere wegen der immanenten Rücksichtnahmepflichten eine entscheidende Verbesserung bewirken.

Mit einer Erweiterung des AGG auch auf die Caregiver Discrimination geht auch eine dahingehende Kompetenz der Antidiskriminierungsstelle des Bundes einher. Dies bedeutet nicht nur einen verstärkten Schutz Betroffener im Einzelfall, sondern lässt auch auf eine durch Öffentlichkeits- und Informationsarbeit geförderte, schrittweise Beseitigung bestehender Ungleichgewichte in der Arbeitswelt hoffen.

Handlungsoptionen

Befürwortet wird eine Erweiterung der Diskriminierungsgründe des AGG um den Begriff der familiären Fürsorgeverantwortung. Hieran anknüpfend sollte ein auf diesen neuen Diskriminierungsgrund bezogener Rechtfertigungstatbestand in den §§ 8 ff. AGG geschaffen werden.

Sollte die Caregiver Discrimination zukünftig hingegen allein im Rahmen des Maßregelungsverbots des § 612a BGB relevant werden, würden umfangreichere gesetzliche Anpassungen notwendig. So müssten die Vorgaben der Art. 12, 13 Richtlinie 2019/1158 hinsichtlich Sanktionen und Beweislastverteilung umgesetzt werden, die im AGG bereits in §§ 15, 22 geregelt sind. Auch müsste die Zuständigkeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die Art. 15 Richtlinie 2019/1158 vorsieht, anderweitig normiert werden.

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