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Diskriminierungsrisiken für Geflüchtete in Deutschland

Eine Bestandsaufnahme der Antidiskriminierungsstelle des Bundes

- Steckbrief zur Studie -

Autor*innen: Antidiskriminierungsstelle des Bundes Erscheinungsjahr: 2016

Kurzüberblick

Um einen Überblick über die speziellen Diskriminierungsrisiken von Geflüchteten in Deutschland zu erhalten, hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes im ersten Halbjahr 2016 zwei sich ergänzende Befragungen durchgeführt.

Zum einen wurden Beschäftigte und Ehrenamtliche in Migrations- und Flüchtlingsberatungen, Jugendmigrationsdiensten und weiteren Organisationen der Flüchtlingshilfe dazu befragt, welche Rolle die Diskriminierung von Geflüchteten in ihrer Arbeit spielt. Zudem sollte ermittelt werden, wie in den Beratungs- und Anlaufstellen mit solchen Erfahrungen umgegangen wird und welche Unterstützungsangebote zur Bekämpfung von Diskriminierung benötigt werden.

Darüber hinaus wurden 20 exemplarische qualitative Interviews mit Geflüchteten durchgeführt, um die Eigenperspektive dieser Gruppe in die Untersuchung einzubeziehen. Im Rahmen der leitfadengestützten Interviews konnten die Befragten ihre Diskriminierungserfahrungen detailliert schildern und auch von den persönlichen Auswirkungen dieser Erlebnisse berichten.

Wichtigste Ergebnisse

Diskriminierungsrisiken für Geflüchtete

  • Geflüchtete Menschen sind in Deutschland einem hohen Diskriminierungsrisiko ausgesetzt: Fast neun von zehn der befragten Anlauf- und Beratungsstellen berichten davon, dass Geflüchtete im Gespräch direkt von Diskriminierungserfahrungen berichten.
  • Sowohl die Interviews mit Geflüchteten als auch die Befragung der Organisationen verdeutlichen, dass ein großer Teil der Diskriminierungserfahrungen von Flüchtlingen und Asylsuchenden auf Diskriminierungsmerkmale aus dem Schutzbereich des AGG zurückzuführen sind. Dabei sind Geflüchtete insbesondere von Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Herkunft oder aus rassistischen Gründen betroffen: Für 94 Prozent der befragten Einrichtungen spielt dieses Merkmal die wichtigste Rolle für die Diskriminierung von Geflüchteten.
  • Besonders häufig erleben geflüchtete Menschen Diskriminierung im Arbeitsleben, auf dem Wohnungsmarkt, beim Zugang zu Waren oder Dienstleistungen und bei Ämtern oder Behörden. Dabei berichten 80 Prozent der befragten Organisationen von Benachteiligungen von Geflüchteten auf dem Wohnungsmarkt. 68 Prozent nennen Ämter und Behörden und 64 Prozent das Arbeitsleben als Lebensbereiche in denen Geflüchtete von Diskriminierungen betroffen sind. Zusätzlich berichtet gut die Hälfte (52 Prozent) der Befragten von Diskriminierungen bei Geschäften und Dienstleistungen.
  • Flüchtlinge und Asylsuchende erleben vielfältige Diskriminierungsformen: Von unfreundlichem Verhalten über die Verwehrung von Leistungen bis hin zu verbalen und körperlichen Anfeindungen.
  • Insbesondere die Interviews mit den Schutzsuchenden verdeutlichen, dass die Diskriminierungserfahrungen großen Einfluss auf ihr Wohlbefinden und ihr eigenes Verhalten haben: Diskriminierungserfahrungen führen zu Resignation oder dem Einschränken des eigenen Verhaltens sowie zu Traurigkeit, Ärger oder auch Aggressionen. Darüber hinaus verdeutlichen beide Befragungen, dass die Diskriminierungserfahrungen sich negativ auf die Teilhabe der Geflüchteten innerhalb der Gesellschaft, beispielsweise durch den erschwerten Zugang zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt, auswirken.

Unterstützungsmaßnahmen für von Diskriminierung betroffene Geflüchtete

Bei den Beschäftigten und Freiwilligen in den Anlauf- und Beratungsstellen gibt es eine hohe Motivation, Flüchtlinge und Asylsuchende auch im Falle von Diskriminierung Unterstützung anzubieten. Die Ergebnisse belegen eindrucksvoll, dass dies in vielen Fällen bereits geschieht – oftmals zusätzlich zu den eigentlichen Aufgaben der jeweiligen Einrichtung oder trotz unzureichender finanzieller bzw. personeller Ressourcen.

Handlungsoptionen

Das AGG als wichtiges Rechtsinstrument zur Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierung spielt in der Arbeit der Anlauf- und Beratungsstellen eine relativ geringe Rolle: Insgesamt kommt nur bei etwas weniger als der Hälfte der teilnehmenden Einrichtungen das Gesetz in ihrer Arbeit zum Einsatz. Daher sind Unterstützungsmaßnahmen durch Schulungen zu den Grundlagen des AGG zur Stärkung der Handlungskompetenz für Anlauf- und Beratungsstellen im Bereich Erst- und Verweisberatung bei Diskriminierungsfällen nötig.

Die Befragungen haben gezeigt, dass Schutzsuchende einem hohen Diskriminierungsrisiko ausgesetzt sind und zu einem großen Teil Wissen über den bestehenden Diskriminierungsschutz und die Handlungsmöglichkeiten bei Diskriminierung fehlt. Es ist deshalb dringend notwendig Aufklärungs- und Empowermentmaßnahmen für Geflüchtete zum besseren Schutz vor Diskriminierung durchzuführen.

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