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Einstellungen gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in Deutschland

Ergebnisse einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage

- Steckbrief zum Forschungsprojekt -

Autor*innen: Prof. Dr. Beate Küpper, Hochschule Niederrhein, Dr. Ulrich Klocke (Humboldt-Universität zu Berlin), Lena-Carlotta Hoffmann (Hochschule Niederrhein), im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2017

Kurzüberblick

Die Studie verfolgt das Ziel, einen aktuellen Überblick über die Einstellungen der Bevölkerung in Deutschland gegenüber Lesben, Schwulen und Bisexuellen (LSB) zu geben. Zudem sollten die Meinungen zu Fragen der rechtlichen Gleichstellung und zur Behandlung des Themas sexuelle Vielfalt in der Schule ermittelt werden. Grundlage bildet eine bundesweite telefonische Befragung von rund 2.000 Befragten ab einem Alter von 16 Jahren. Die Umfrage wurde vom 4. Oktober bis 29. November 2016 durch das Sozialwissenschaftliche Umfragezentrum GmbH in Duisburg (SUZ) durchgeführt.

Wichtigste Ergebnisse

Annahmen und Einstellungen gegenüber LSB

  • Dass homo- und bisexuelle Menschen nach wie vor Diskriminierung erleben, wird auch von der Mehrheit der Befragten (81 Prozent) so wahrgenommen. Großer Konsens herrscht zudem in Bezug auf den Schutz vor Benachteiligung wegen der sexuellen Orientierung: 95 Prozent befürworten, dass es ein gesetzliches Diskriminierungsverbot gibt.
  • In Bezug auf Formen klassischer Homophobie – also das offene Abwerten von Homosexualität als unmoralisch oder unnatürlich sowie das Absprechen gleicher Rechte – setzt sich ein positiver Trend fort: Solche Positionen werden nur mehr von einem kleinen Teil der Bevölkerung geteilt (12 Prozent).

Entwicklung klassischer Homophobie 2002–2016
(Zustimmung zu ausgewählten Aussagen, Angaben in Prozent)

Anmerkung:
Zur Darstellung der Entwicklung wurden, soweit verfügbar, Angaben aus den folgenden Studien herangezogen: 2002 bis 2011 aus der Langzeitstudie Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (Heitmeyer, 2002 - 2011), 2013 aus der ZuGleich-Studie (Zick & Preuß, 2014), 2014 aus der FES-Mitte-Studie (Zick & Klein, 2014); 2016 Ergebnisse der vorliegenden Studie.
Alle Angaben basieren zur besseren Vergleichbarkeit auf Stichproben einschließlich Befragter mit Migrationshintergrund, daher können die Angaben leicht von denen in anderen Publikationen der genannten Studien abweichen, die z.T. nur über die Stichproben von Befragten ohne Migrationshintergrund berichten (dis gilt für Publikationen im Rahmen der "Deutschen Zustände"; Heitmeyer, 2002-2011).

  • Zum Zeitpunkt der Befragung – also wenige Monate vor dem Beschluss des Deutschen Bundestages zur Öffnung der Ehe – stimmten 83 Prozent der Befragten eher oder voll und ganz zu, dass die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare erlaubt sein sollte. Eine Mehrheit sprach sich auch für gleiche Rechte in Bezug auf Adoption und Unterstützung bei künstlichen Befruchtungen aus, wenn auch auf etwas niedrigerem Niveau.
  • Moderne bzw. subtile Formen von Homophobiez.B. die Ablehnung der Sichtbarkeit von Homosexualität in der Öffentlichkeit oder der Thematisierung in den Medien – sind weiter verbreitet als Formen klassischer Homophobie. So sind beispielsweise 44 Prozent der Ansicht, Homosexuelle sollten aufhören, „so einen Wirbel um ihre Sexualität zu machen“.
  • Dies zeigt sich auch bei der affektiven Komponente von Vorurteilen, bei der es um die Gefühle gegenüber einer bestimmten Gruppe geht. So verbinden relativ viele Befragte negative Gefühle mit einem offenen Umgang mit Homosexualität in der Öffentlichkeit: 28 bzw. 38 Prozent ist es unangenehm, wenn sich zwei Frauen bzw. zwei Männer in der Öffentlichkeit küssen. Zudem hätte nur gut jede*r zehnte Befragte ein Problem mit homosexuellen Arbeitskolleg*innen. Die Vorstellung, dass eigene Kind wäre homosexuell, finden dagegen fast vier von zehn unangenehm.
  • Rund 20 Prozent der Befragten neigen – so wie in der Umfrage erfasst – zu abwertenden Einstellungen gegenüber trans*geschlechtlichen Menschen. Die Einstellungen gegenüber Trans*Personen und homosexuellen Personen hängen eng zusammen: Wer die eine Gruppe abwertet, wertet auch eher die andere ab.

Unterschiede zwischen soziodemografischen Subgruppen der Bevölkerung

  • Abwertende Einstellungen gegenüber homo- und bisexuellen Menschen finden sich in allen Bevölkerungsgruppen, in manchen Teilgruppen sind sie jedoch stärker ausgeprägt. So sind homophobe Einstellungen in höheren Altersgruppen weiter verbreitet als bei jüngeren Befragten. Gleiches gilt für jene mit niedrigen formalen Bildungsabschlüssen. Zudem bestätigt sich der bekannte Unterschied zwischen Männern und Frauen: Im Durchschnitt neigen Männer eher zu negativen Einstellungen als Frauen.
  • Ebenfalls negativer fallen die Haltungen unter Befragten mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Menschen ohne Migrationshintergrund aus. Dabei umfasst das Merkmal Migrationshintergrund eine sehr heterogen zusammengesetzte Bevölkerungsgruppe mit ganz unterschiedlichen Einwanderungshintergründen insbesondere aus Polen, Ländern der ehemaligen Sowjetunion und der Türkei.
  • Abwertende Einstellungen gegenüber LSB reichen bis in die politische Mitte der Gesellschaft, sind jedoch bei Personen, die sich politisch rechts einordnen und bei potenziellen Wähler*innen der AfD, der CDU/CSU sowie bei Nichtwähler*innen am stärksten vertreten.

Umgang mit sexueller Vielfalt in der Schule

  • 90 Prozent der Befragten sprechen sich dafür aus, dass Schulen den Schüler*innen Akzeptanz gegenüber homo- und bisexuellen Personen vermitteln sollen. Ein Teil der Befragten lehnt die konkreten Mittel zum Erreichen dieses Ziels jedoch ab: So ist beispielsweise gut ein Viertel der Befragten der Ansicht, dass in der Schule nur Paare aus Mann und Frau vorkommen sollten, wenn es um Liebe und Partnerschaft geht.
  • Befragte, die wissen, dass das Ziel der Bildungspläne die Akzeptanzvermittlung gegenüber LSB ist und nicht die Ermunterung zum Ausprobieren unterschiedlicher Sexualpraktiken, sprechen sich deutlich häufiger für die Berücksichtigung des Themas sexueller Vielfalt im Schulunterricht aus.
  • Zudem zeigt sich, dass das Thema bisher de facto kaum im Schulunterricht vorkommt. So berichten 64 Prozent der 16- bis 29-Jährigen Befragten etwa davon, dass ihre Lehrkräfte nie Unterrichtsbeispiele oder Materialien verwendet haben, in denen auch LSB-Personen vorkommen.

Weitere ausgewählte Ergebnisse

  • Die eigene Zugehörigkeit zu einer als diskriminiert wahrgenommenen Gruppe (z.B. aufgrund des Alters oder einer ethnischen, kulturellen oder relilgiösen Zugehörigkeit) hängt mit einer höheren Neigung zu abwertenden Einstellungen gegenüber LSB zusammen.
  • Die Ergebnisse bestätigen zudem den bekannten Zusammenhang zwischen Religiosität und Homophobie: Je religiöser sich die Befragten selbst einschätzen, desto eher werten sie LSBT*-Personen ab. Die Religionszugehörigkeit selbst ist dagegen weniger bedeutsam.
  • Schließlich wird auch die Anschlussfähigkeit homophober Einstellungen an den Rechtspopulismus deutlich. So gehen eine autoritaristische Grundhaltung, Demokratiemisstrauen und die Abwertung von „Fremden“ mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zur Abwertung homosexueller Personen einher.

Handlungsoptionen

Unter Einbeziehung von Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis wurden aus den Ergebnissen folgende Handlungsbedarfe für Politik, Gesellschaft und Forschung identifiziert:

  • Beseitigung rechtlicher Ungleichbehandlungen und Überprüfung von Regelungen in Organisationen und Unternehmen nach den Vorgaben des Gleichbehandlungsgebots und des Diskriminierungsverbots;
  • Aufklärung über Homosexualität und gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Sensibilisierung auch für moderne, subtile Formen der Abwertung;
  • Verankerung des Themas sexuelle Vielfalt in der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften im Bildungs-, Gesundheits- und Pflegebereich oder auch der Polizei;
  • Stärkere und selbstverständliche Thematisierung und Sichtbarmachung sexueller Vielfalt in verschiedenen Lebensbereichen, ohne dabei Homo- und Bisexualität als „Abweichung von der Norm“ darzustellen oder das Thema Sexualität übermäßig zu betonen;
  • Vermittlung von Wissen über die Ziele der Bildungspläne zur Berücksichtigung sexueller Vielfalt in der Schule, um Fehlinformationen und Gerüchten entgegenzuwirken;
  • Verstetigung einer differenzierten Erhebung von Bevölkerungseinstellungen gegenüber LSB-Personen und stärkere Berücksichtigung von Haltungen gegenüber trans* und intergeschlechtlichen Menschen.

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