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Polizei und Diskriminierung

Risiken, Forschungslücken, Handlungsempfehlungen

- Steckbrief zur Studie -

Autor*innen: Daniela Hunold, Hartmut Aden, Roman Thurn, Anja Berger, Claudius Ohder, Birgitta Sticher und Ekkehard Strauß (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin), im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2025

Kurzüberblick

Polizeiliches Handeln (u.a. zur Gefahrenabwehr, Strafverfolgung und Gewährleistung von Sicherheit und eines friedlichen Zusammenlebens) ist an die verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbote (insbesondere Art. 3 Abs. 3 GG) und an den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Die Polizei ist damit in der Verantwortung, die hoheitlichen Aufgaben und Befugnisse diskriminierungsfrei auszuüben. Dabei steht die Polizei als staatliche Organisation vor der Herausforderung, ihr gesamtes Handeln an der Vielfalt der Gesellschaft auszurichten. Dennoch zeigt sich u.a. in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, in Berichten Betroffener und zivilgesellschaftlicher Gruppen sowie auch in der Arbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, dass polizeiliches Handeln immer wieder mit Diskriminierungen in Verbindung gebracht wird. Hierbei sind unterschiedliche Merkmale berührt wie rassistische Gründe, ethnische Herkunft, Geschlecht, Alter, sexuelle Identität genauso wie Behinderung, Religion oder Weltanschauung. Bisher fehlte eine systematische und erschöpfende Analyse der Formen, Konstellationen und Ausmaße möglicher Benachteiligungen im polizeilichen Handeln.

Die Studie untersucht die Risiken von Diskriminierung durch polizeiliches Handeln in Deutschland. Sie basiert auf der Auswertung nationaler und internationaler Studien und sogenannter grauer Literatur (wie etwa der deutschen und internationalen Berichterstattung) sowie eigenen empirischen Erhebungen. Der Bericht fasst den Wissensstand zusammen und zeigt, dass die Polizei - wie jeder andere Teil in dieser Gesellschaft - nicht frei von Diskriminierung ist. Die Ergebnisse weisen auf strukturelle oder individuelle Benachteiligungen hin und sollen dabei helfen, konkrete Maßnahmen für die Polizeiarbeit abzuleiten.

Die Studie analysiert bisher kaum berücksichtigte Diskriminierungsrisiken sowie strukturelle und institutionelle Bedingungen diskriminierenden Handelns. Die Darstellung der Diskriminierungsrisiken erfolgt entlang verschiedener polizeilicher Handlungsfelder (Kontrolle von Personen und Sachen, Notrufe, Vollzugshilfe, Aufnahme von Strafanzeigen, Ermittlungen in Strafsachen, das Polizieren von Protest, Auswertung von Daten, Einsatz technischer Mittel (wie Bodycams), die Kriminalprävention).

Wichtigste Ergebnisse

Diskriminierung in der Polizei ist ein komplexes Phänomen, das eine kontinuierliche und kritische Auseinandersetzung erfordert. Diskriminierung kann in nahezu allen Bereichen des polizeilichen Handelns auftreten. Dabei ist bemerkenswert, dass sowohl die Risiken für Personen mit (zugeschriebenen) Diskriminierungsmerkmalen als auch das Ausmaß der erlebten Diskriminierung je nach spezifischem Handlungsfeld variieren können. Sie zielt in den meisten Fällen nicht auf ein einzelnes (zugeschriebenes) Merkmal, sondern häufig auf mehrere Diskriminierungsmerkmale, zwischen denen ein spezifischer Zusammenhang angenommen wird, zum Beispiel wenn Alter, Geschlecht und rassistische Zuschreibung Ausgangspunkt für anlasslose Kontrollen sind.

Die Folgen polizeilicher Diskriminierung für Betroffene bestehen zum einen durch sogenanntes Überpolizieren (overpolicing), wenn Personen oder Gruppen im Vergleich zu anderen unverhältnismäßig häufig von polizeilichen Maßnahmen betroffen sind, und zum anderen durch eine fehlende Gewährleistung von polizeilichem Schutz (underprotection). In der Folge kann polizeiliche Diskriminierung zu nachhaltigem Verlust des Vertrauens in staatliche Institutionen führen.

Handlungsoptionen

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass nur durch eine umfassende Herangehensweise, die sowohl institutionelle als auch individuelle Aspekte berücksichtigt, die Polizei ihre Rolle als staatliche Schutzinstanz effektiv erfüllen und das Vertrauen aller Teile der Bevölkerung gewinnen kann.

Basierend auf den Erkenntnissen werden folgende Empfehlungen abgeleitet:

  • Umfassende Reformen organisationaler Strukturen und Prozesse in der Polizei zur Prävention diskriminierender Praktiken (zum Beispiel Anpassung von Dienstvorschriften).
  • Regelmäßige Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen für Polizist*innen unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Antidiskriminierungsforschung, um Vorurteile zu erkennen und abzubauen.
  • Implementierung von Kontroll- und Bewertungssystemen zur kontinuierlichen Überprüfung polizeilichen Handelns.
  • Opfer von Diskriminierung sollten mehr Beschwerdemöglichkeiten bekommen und besser unterstützt werden.
  • Unabhängige Polizeibeschwerde- und Ombudsstellen sollten mit ausreichenden Ermittlungskompetenzen und Ressourcen ausgestattet werden.
  • Ausbau der Kooperation zwischen Polizei und zivilgesellschaftlichen Organisationen.
  • Intensivierung der Forschung zu institutionellen und strukturellen Formen der Diskriminierung in der Polizei, Schließung der bestehenden Forschungslücken und stärkere Berücksichtigung intersektionaler Perspektiven in Forschung und Praxis.
  • Überarbeitung diskriminierend wirkender gesetzlicher Regelungen: Auch Reformen des gesetzlichen Rahmens, etwa in Bezug auf anlassunabhängige Personenkontrollen, den Einsatz von Bodycams oder von Predictive Policing, können helfen, Diskriminierung vorzubeugen.

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Cover Studie Polizei und Diskriminierung