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Preisdifferenzierung nach Geschlecht in Deutschland

- Steckbrief zum Forschungsprojekt -

Autor*innen: Iris an der Heiden, Prof. Dr. Maria Wersig, im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2017

Kurzüberblick

Die Studie untersucht systematisch die Preisdifferenzierung nach Geschlecht (Gender Pricing) bei gleichen oder sehr ähnlichen Produkten und Dienstleistungen in Deutschland. Auf Grundlage der empirischen Befunde erfolgt darüber hinaus eine rechtliche Bewertung anhand des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Grundlage der Studie bildet eine empirische Untersuchung der Produkt- und Dienstleistungskategorie des Warenkorbs des Statistischen Bundesamtes.

Wichtigste Ergebnisse

Definition

Preisdifferenzierung nach Geschlecht („Gender Pricing“) beschreibt das Verhalten von Anbietern, gleiche oder sehr ähnliche Leistungen mit unterschiedlichen Preisforderungen für Frauen und Männer zu versehen. Geschlechtsspezifische Produktvarianten einer Marke gelten dann als vergleichbar, wenn sie sich ausschließlich in Eigenschaften (Farbe, Produktname, Produktbeschreibung etc.) unterscheiden, die der Ansprache der Geschlechter dienen.

Bei Produkten ist die Preisdifferenzierung nach Geschlecht nicht relevant/sehr niedrig

  • Die große Mehrheit der Produkte, insgesamt 85 Prozent, in den Bereichen, in denen sich Produktvarianten nach Geschlecht finden, wie z.B. Kinderspielzeug, Bekleidung für Erwachsene und Kinder und persönliche Pflege, haben keine vergleichbare oder ähnliche Variante nach Geschlecht.
  • Von 1.682 gleichartigen Produkten, die in der Studie identifiziert werden können, sind nur 3,7 Prozent preisungleich. In 2,3 Prozent der Fälle zahlen Frauen, in 1,4 Prozent Männer höhere Preise für die jeweils weibliche bzw. männliche Variante des gleichen Produkts. Der durchschnittliche Preisaufschlag beträgt für Frauen und Männer circa 5,00 Euro.

Dienstleistungen zeigen verstärkt geschlechterspezifische Preisunterschiede

  • Dienstleistungen wie Friseure, Textilreinigung, kosmetische Gesichtsbehandlungen und Änderungsschneidereien wenden sich in der Regel an ein Geschlecht.
  • Von 381 identifizierten gleichartigen Dienstleistungsvarianten nach Geschlecht waren insgesamt 59 Prozent preisungleich, davon waren 50 Prozent für Frauen und 9 Prozent für Männer teurer.
  • Die deutlicheren Preisdifferenzierungen nach Geschlecht beziehen sich auf Reinigungen und Frisierangebote: 89 Prozent der Friseur*innen bieten bei gleichen Kurzhaarschnitt-Angeboten unterschiedlichen Preise für Frauen und Männer an, wobei Frauen 12,50 Euro durchschnittlich mehr zahlen. Ein Drittel der Reinigungen bepreisen Herrenhemden und Damenblusen pauschal unterschiedlich. Auch in diesem Fall geht der Preisunterschied zu Lasten von Frauen, die durchschnittlich 1,80 Euro mehr für die Blusenreinigung im Vergleich zur Hemdreinigung zahlen.

Antidiskriminierungsrechtliche Bewertung von Preisdifferenzierung nach Geschlecht

  • Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist anwendbar auf die Preisgestaltung von Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
  • Ein Verstoß gegen das AGG kann insbesondere vorliegen, wenn Preise für Dienstleistungen nach dem Geschlecht unterschieden werden, nur um die höheren Preisbereitschaften von Frauen oder Männern besser auszuschöpfen. Ebenso ist es nicht zulässig, allein vom Geschlecht einer Person auf den zu erwartenden Aufwand einer Dienstleistung (z. B. Frisieren) zu schließen. Rechtfertigungsbedürftig sind schließlich auch Preisunterschiede für im Wesentlichen gleiche Produkte, die ein Gender Marketing aufweisen und damit in zwei geschlechtsspezifischen Varianten angeboten werden.

Handlungsoptionen

Auch wenn der überwiegende Teil der Produkt- und Dienstleistungsvarianten in Deutschland für beide Geschlechter preisgleich angeboten wird, zeigt die Studie einige Handlungsansätze auf:

  1. Verbraucher*innen sollten durch Verbraucherschutzorganisationen stärker über geschlechtsspezifische Preisdifferenzierungen und Gender Marketing informiert und aufgeklärt werden.
  2. Es ist notwendig, die Anbieter für Preisdifferenzierungen nach Geschlecht zu sensibilisieren und sie zu informieren, wann sie im Ergebnis ihrer Preisgestaltung gegen das AGG verstoßen könnten.
  3. Insbesondere Reinigungs- und Frisierbetriebe sollten sich bei der Gestaltung der Preise am tatsächlichen Aufwand der Leistungen und nicht am Geschlecht orientieren. In Preislisten sollten die Preise für die einzelnen Leistungen transparent und geschlechtsneutral ausgewiesen werden. Frisierdienstleistungen (wie z. B. Kurzhaarschnitte) sollten demnach für Frauen und Männer den gleichen Preis aufweisen, wie auch z. B. die Maschinenreinigung von Hemden und Blusen und anderen vergleichbaren Kleidungsstücken.
  4. Die einschlägigen Verbände von Dienstleistern (Friseurhandwerk, Reinigungsgewerbe) sollten für einen Verzicht geschlechtsspezifischer Preisdifferenzierung zugunsten leistungsorientierter Preissetzungen werben, entsprechende Selbstverpflichtungen anregen sowie geschlechtsneutrale Musterpreislisten entwickeln.
  5. Ein regelmäßiges Monitoring von Waren und Dienstleistungen sollte im Hinblick auf geschlechtsspezifische Preisdifferenzierung, etwa beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, eingeführt werden.

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