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Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen

- Steckbrief zum Forschungsprojekt -

Autor*innen: Prof. Dr. Ernst von Kardorff, Dr. Heike Ohlbrecht und Susen Schmidt, im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2013

Kurzüberblick

Die empirische Studie untersucht die mentalen Barrieren und Vorurteile, denen (schwer-)behinderte und chronisch kranke Menschen auf dem Arbeitsmarkt begegnen, und analysiert diese im Zusammenspiel mit strukturellen und verfahrensbedingten Hindernissen. Da sich die Beschäftigungssituation in den letzten Jahren für behinderte oder chronisch kranke Arbeitnehmer*innen trotz weitreichender rechtlicher Rahmenbedingungen nur unwesentlich verbessert hat, werden Barrieren beim Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt umfassend analysiert.

 Ziel der qualitativen Untersuchung ist es, die wechselseitigen Verschränkungen aufzuzeigen, die den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen auf verschiedenen Ebenen erschweren.

Wichtigste Ergebnisse

Der Arbeitsmarkt ist für Menschen mit Behinderungen oder chronisch kranke Menschen extrem schwer zugänglich. Dieser Sachverhalt ist besonders gravierend, weil die Teilhabe am Arbeitsleben den Menschen mit Behinderungen ökonomische Selbständigkeit, soziale Anerkennung, Status und Selbstwert sowie soziale Einbindung sichert. Unternehmen, die die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderungen übererfüllen und innovative Integrationsmodelle entwickelt haben, berichten von positiven Erfahrungen hinsichtlich Motivation und Verbesserung des Arbeitsklimas. Zwar sind für die Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit einer Behinderung oder chronischen Krankheit - wie für nichtbehinderte Menschen - das Vorhandensein einer Ausbildung und eine passgenaue fachliche Qualifikation Voraussetzung für Einstellung und Beschäftigung. Selbst wenn Menschen mit Behinderungen diese vorweisen, zeigen sich jedoch erhebliche Hindernisse beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Diese beruhen auf Informations- und Wahrnehmungsdefiziten sowie nicht zuletzt auf vielfältigen Vorurteilen z.B. hinsichtlich ihrer Arbeitsfähigkeit und Einsatzmöglichkeiten. Unter den vielfältigen Menschen mit Behinderungen haben Menschen mit körperlichen Einschränkungen die besten Chancen auf eine Integration in die Arbeitswelt – sofern es sich nicht um stark auffällige Merkmale handelt; die geringsten Chancen haben Menschen mit einer psychischen und/oder einer geistigen Behinderung oder mit Verhaltensauffälligkeiten. Ihnen gegenüber bestehen starke Vorurteile und Verhaltensunsicherheiten.

Zusammenfassend verweist die Studie auf:

Sozialpsychologische Barrieren

Obwohl Unternehmen in der Regel äußerst positive Erfahrungen mit Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten als Arbeitnehmer*innen machen, bestehen weiterhin vielfältige Vorbehalte und teilweise massive Defizitunterstellungen seitens der Arbeitgeber*innen. Vielfach fehlt es am Willen zu Inklusion und häufig an der fehlenden Berücksichtigung des Themas als strategische Aufgabe. In der Folge erleben Menschen mit Behinderungen immer wieder Diskriminierung bei Bewerbungen und am Arbeitsplatz.

Institutionelle Barrieren

Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird für Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten auch erschwert, weil Arbeitsabläufe nicht auf die Belange von Menschen mit Behinderung orientiert sind oder weil Berührungsängste existieren. Hier geht es um eine aktive Einbeziehung der Menschen mit Behinderungen und um die gemeinsame Suche nach kreativen Lösungen. Darüber hinaus bestehen nach wie vor Informations- und vor allem Wahrnehmungsdefizite hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten, der Leistungsfähigkeit und der Belastbarkeit von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen. Oft fehlen auch Kenntnisse über spezielle Hilfen bei besonderen Behinderungen und Erkrankungen.

Strukturelle Barrieren

Die Struktur des regionalspezifischen Arbeitsmarktes und die allgemein schwierige Arbeitsmarktlage erschweren die Chancen für eine Beschäftigung von Menschen mit (Schwer-)Behinderungen. Daher würde aus Sicht der Menschen mit Behinderungen eine Erhöhung der Beschäftigungsquote zu verbesserten Eingliederungschancen führen. Zur Überwindung struktureller Barrieren würde auch ein gezieltes Disability-Management der Betriebe und Vermittlungseinrichtungen beitragen.

Insgesamt führen alle drei Typen von Barrieren zu einem Ausschluss von Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten von der Teilhabe am Arbeitsleben.

Handlungsoptionen

  • Entwicklung eines Index of Inclusion für die Arbeitswelt, der verbindliche Standards in Übereinstimmung mit der UN-Behindertenrechtskonvention für Unternehmen und das Vermittlungssystem formuliert
  • Thematisierung der Situation (schwer-)behinderter Arbeitnehmer*innen auf dem Arbeitsmarkt und leichterer Zugang zu Informationen
  • Neufassung des Schwerbehindertenbegriffs, der nicht mehr nur die Grade der Behinderungen, sondern vielmehr die Feststellung individueller Unterstützungsbedarfe ermöglicht und individuelle Bedarfe zur Arbeitsmarktinklusion mit abdeckt
  • Verbesserte Information über die Einsatzmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen durch bereits am Arbeitsleben teilhabende Menschen mit Behinderungen, die für andere Arbeitgeber*innen als „Botschafter*innen“ fungieren können
  • Unterstützung bei der beruflichen Wiedereingliederung von Menschen mit (Schwer-)Behinderungen aus „einer Hand“, da eine Vielzahl von Problemen gerade bei den Übergängen von Erwerbslosigkeit oder nach einer Rehabilitation in die Beschäftigung sichtbar wird
  • Verbesserte Information, Ermutigung und Empowerment der Zielgruppen

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