Navigation und Service

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Vorkommen, Wissensstand und Umgangsstrategien

- Steckbrief zum Forschungsprojekt -

Autor*innen: Sozialwissenschaftliches Umfragezentrum GmbH Duisburg (SUZ), im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) Erscheinungsjahr: 2015

Kurzüberblick

Seit In-Kraft-Treten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Jahr 2006 sind das Verbot und der Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz über das AGG geregelt. Aus dem AGG ergeben sich nicht nur konkrete Rechte und Handlungsmöglichkeiten für die von sexueller Belästigung Betroffenen, sondern auch Präventions- und Interventionspflichten für Arbeitgebende.

Mit Hilfe einer repräsentativen Umfrage unter Beschäftigten (n=1.002) und einer exemplarischen Befragung von Personalverantwortlichen und –vertreter*innen bei privaten und öffentlichen Arbeitgeber*innen (n=667) in Deutschland sollte im Rahmen der Erhebung ermittelt werden, wie verbreitet sexuelle Belästigung im Arbeitsleben in Deutschland ist und wie mit Vorfällen in diesem Bereich umgegangen wird. Ziel war es zudem, den Wissenstand der Beschäftigten und der Verantwortlichen in den Betrieben über die Rechte und Pflichten zum Schutz vor sexueller Belästigung zu erheben und einen Überblick über die in den Unternehmen bestehenden Maßnahmen zu erlangen.

Wichtigste Ergebnisse

Verständnis des Begriffs „sexuelle Belästigung“

  • Die im AGG unter § 3 Abs. 4 zur Bestimmung des Begriffs „sexuelle Belästigung“ geschilderten Situationen werden von jeweils mehr als der Hälfte der Beschäftigten auch als sexuelle Belästigung verstanden.
  • Gut neun von Zehn (93 Prozent) geben demnach an, dass sie Aufforderungen zu unerwünschten sexuellen Handlungen als sexuelle Belästigung verstehen. Fast genauso viele (89 Prozent) subsumieren explizite Aufforderungen wie „Setz Dich auf meinen Schoß!“ darunter.
  • Auch (vermeintlich zufällige) unerwünschte Berührungen, anzügliche Bemerkungen sexuellen Inhalts, das Anbringen aufreizender oder pornographischer Bilder sowie unerwünschtes Anstarren werden von der überwiegenden Mehrheit der Befragten als Formen sexueller Belästigung erkannt, von Frauen jedoch deutlich häufiger als von Männern.
  • Das Begriffsverständnis der befragten Personalverantwortlichen und Betriebsrät*innen scheint sich ebenfalls weitgehend mit dem des Gesetzestextes zu decken. So werden alle dort genannten Situationen von jeweils mehr als drei Viertel der Befragten unter den Begriff „sexuelle Belästigung“ gefasst.

Eigene Erfahrungen und Beobachtungen

  • Direkt danach gefragt, sagen 17 Prozent der weiblichen Beschäftigten und 7 Prozent ihrer männlichen Kollegen von sich, sie seien bereits am Arbeitsplatz sexuell belästigt worden. Fragt man jedoch die im Gesetzestext beschriebenen Tatbestände einzeln ab, so geben jeweils rund die Hälfte der Frauen und Männer an, solche Situationen schon einmal erlebt zu haben.
  • Frauen erleben tendenziell etwas häufiger als Männer physische Belästigungen (unerwünschte körperliche Annäherung, Umarmungen, Küsse). Männer berichten häufiger als Frauen über visuelle bzw. verbale Formen wie E-Mails mit unerwünschtem Inhalt oder zweideutige Kommentare.
  • Sexuelle Belästigung geht in den meisten Fällen von Männern aus. Das gilt insbesondere für Fälle, von denen Frauen berichten. Aber auch Männer werden häufiger von männlichen Kollegen belästigt als von Frauen.
  • Wenn die befragten Führungskräfte und Personalvertreter*innen von sexuellen Belästigungen erfahren, dann meist durch eigene Beobachtung oder weil Personen aus dem Kollegium darüber gesprochen haben (jeweils 43 Prozent). Dass sich Betroffene direkt an sie wenden, kommt dagegen seltener vor.

Umgang mit Vorfällen sexueller Belästigung

  • Gut die Hälfte der Personalverantwortlichen und Betriebsrät*innen (58 Prozent), die von Belästigungen in ihrem Betrieb wissen, gibt an, dass sich jemand offiziell mit diesen Vorfällen beschäftigt hat.
  • Wird sich mit diesen Vorfällen befasst, dann häufig durch Personen, die in der Personalabteilung tätig sind. In den meisten Fällen wird versucht, den Sachverhalt durch Gespräche aufzuklären. Rund vier von Zehn (42 Prozent) berichten auch von Abmahnungen oder Versetzungen.

Wissen über gesetzliche Vorschriften und Kenntnis über Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz

  • Dass sexuelle Belästigung verboten ist, weiß zwar eine große Mehrheit der Beschäftigten (92 Prozent). Viele individuelle, im AGG garantierte Rechte sind jedoch weithin unbekannt. So weiß nur jede*r Fünfte (19 Prozent), dass Arbeitgeber*innen verpflichtet sind, die Beschäftigten vor sexueller Belästigung zu schützen.
  • Fast die Hälfte der Befragten (46 Prozent) kennt keinerlei Maßnahmen, die das eigene Unternehmen oder die Dienststelle zum Schutz vor sexueller Belästigung ergriffen hätte. Nur knapp ein Drittel (29 Prozent) weiß von einer Ansprechperson am Arbeitsplatz.
  • Auch ein großer Teil der befragten Führungskräfte und Personalvertreter*innen in öffentlichen und privaten Unternehmen (60 Prozent) wissen auf Nachfrage keine Schutzmaßnahmen in ihren Häusern zu benennen.
  • Von den im Gesetz geregelten Schutz- und Fürsorgepflichten der Arbeitgeber*innen wissen nur ein Viertel (25 Prozent) der Personalverantwortlichen und Betriebsrät*innen.

Handlungsoptionen

Handlungsbedarfe aus Sicht der Befragten

Am wichtigsten ist – sowohl aus Sicht der Beschäftigten als auch der befragten Personalverantwortlichen und Betriebsrät*innen – mehr Aufklärung und Information, insbesondere

  • bessere Informationen für Beschäftigte über Beratungsangebote im Falle sexueller Belästigung,
  • insgesamt mehr Aufklärung an den Schulen und in den Medien über das Thema sowie
  • bessere Schulungen von Personalverantwortlichen und –vertreter*innen, um die Beschäftigten wirksamer schützen zu können.

Jeweils eine klare Mehrheit spricht sich zudem dafür aus, dass es in jedem Betrieb bzw. jeder Abteilung eine präsente Ansprechperson zur Unterstützung Betroffener geben sollte.

Drei Viertel der Beschäftigten und immerhin sechs von zehn der befragten Führungskräfte und Personalvertreter*innen sprechen sich für eine gesetzliche Verschärfung der beruflichen Konsequenzen für Täter*innen aus.

Steckbrief ausdrucken