Binäre Geschlechtszuordnung in Formularen des Bundesverwaltungsamtes 29.07.2021
Das Bundesverfassungsgericht entschied bereits 2017 in einer wegweisenden Entscheidung, dass es weder mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht noch dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sei, dass das Personenstandsgesetz neben dem Eintrag „männlich“ und „weiblich“ nur die Möglichkeit vorsehe, keinen Geschlechtseintrag vorzunehmen.
Es müsse vielmehr eine positive, dritte Geschlechtsoption geben, um dem Grundgesetz zu genügen (Az: 1 BvR 2019/16). Der Bundestag setzte diese Entscheidung mit einer Änderung des Personenstandsgesetzes um, so dass Personen, welche sich dauerhaft nicht in der binären Geschlechterordnung wiederfinden, seitdem der Geschlechtseintrag „divers“ im Personenstandsrecht zur Verfügung steht. Das Beratungsteam der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurde darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsamt (BVA) Formulare (Beihilfeanträge, Portal bafög-online) ausgibt, die noch immer eine Zuordnung gemäß der binären Geschlechterordnung „Mann“ oder „Frau“ fordert.
Diese Praxis ist aus Sicht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes schwer mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu vereinen. Das BVA ist als Hoheitsträger unmittelbar grundrechtsverpflichtet. Es spricht vieles dafür, dass neben dem positiven dritten Geschlechtseintrag im Personenstandsrecht, auch ein Recht auf die Anpassung staatlich verwendeter Formulare an die neue Gesetzeslage abgeleitet werden kann. Es genügt dem vollumfänglichen Grundrechtsschutz gerade nicht, wenn den Betroffenen über das Personenstandsrecht hinaus weiterhin suggeriert wird, dass lediglich die binäre Geschlechterordnung die geschützte Norm ist.
Aufgrund dessen hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes dem Bundesinnenministerium des Inneren für Bau und Heimat (BMI) als Aufsichtsbehörde des BVA ihre rechtlichen Bedenken mitgeteilt und zu einer Stellungnahme aufgefordert. Das BMI teilte daraufhin mit, dass zurzeit an einem neuen Beihilfeverfahren gearbeitet werde und in diesem Zuge eine Auswahlmöglichkeit „divers“ eingeführt werden solle. Zudem stehen auch seit April im online-Antrag auf BAföG die verschiedenen Angaben zum Geschlecht nach dem Personenstandsgesetz zur Verfügung.