AGG-Beschwerdestelle: basis & woge e. V.
Die Beschwerdestelle von basis & woge e. V. besteht aus drei Mitarbeiter*innen. Sie werden von der Geschäftsleitung in Einigung mit dem Betriebsrat benannt, wobei auf größtmögliche Diversität und eine machtkritische Haltung geachtet wird.
Das Wichtigste in Kürze
- Arbeitgebertyp:
- Gemeinnützige Organisation
- Branche:
- Gesundheit und Sozialwesen
- Anzahl der Mitarbeiter*innen:
- circa 200
- Beschwerdestruktur:
- seit 2009
- Weitere Maßnahmen / Strukturen:
- Kolleg*innen können sich vor oder zusätzlich zu Beschwerdeverfahren auch niedrigschwellig an die im Träger angesiedelte Antidiskriminierungsberatungsstelle wenden.
- Good Practice-Fokus:
-
- Einzelne Schritte im Verfahren sind detailliert beschrieben
- Im Einarbeitungsprogramm für neue Mitarbeitende wird das Diskriminierungsverständnis des Trägers bereits geschult
- Begleitung der Beschwerdestelle durch externe Fachexpertise
Kontakt
basis & woge E-Mail: ibs@basisundwoge.de
Kurzbeschreibung des Akteurs
basis & woge e. V. in Hamburg ist ein staatlich anerkannter, gemeinnütziger Träger für soziale Dienstleistungen, der Menschen in unterschiedlichsten Lebenslagen unterstützt und begleitet. Die Angebote decken ein breites Spektrum an Tätigkeitsfeldern ab. Diese umfassen unter anderem Gesundheitsprävention, ambulante wie stationäre sozialpädagogische Angebote, Jugendsozialarbeit, sozialräumliche Projekte, Antidiskriminierungsarbeit sowie den Bereich Flucht und Bildung.
basis & woge e. V. beschäftigt derzeit circa 200 Mitarbeitende inklusive studentischer Hilfskräfte und Aushilfen.
Gesprächspartner*innen
Das Reflexionsgespräch fand mit einem Mitglied des Leitungsteams von basis & woge e. V. statt, das den Bereich Antidiskriminierung mit aufgebaut hat. Heute berät die Gesprächspartnerin bei Bedarf weiterhin die Mitglieder der Beschwerdestelle. Zudem nahm ein aktuelles Mitglied der Beschwerdestelle teil, das in der ambulanten Hilfe für Jugendliche tätig ist.
Aufbau der Beschwerdestruktur
Die Beschwerdestelle bei basis & woge e. V. besteht derzeit aus drei Mitarbeiter*innen, die durch die Geschäftsleitung in Einigung mit dem Betriebsrat benannt werden. Bei der Auswahl der Mitglieder wird auf größtmögliche Diversität in Bezug auf Diskriminierungsdimensionen geachtet. Diese Mitglieder arbeiten mit einer machtkritischen Haltung gegenüber Diskriminierung. Sie sind außerdem geschult, Sachverhalte durch gezielte, empathische Fragen zu klären. Die Beschwerdeführer* innen haben die Möglichkeit, eigenständig zu entscheiden, welche Person aus dem Beschwerdestellenteam sie kontaktieren möchten. Es gibt ein feststehendes Konzept zu den Aufgaben und Mandaten der Beschwerdestelle, die in einer Betriebsvereinbarung festgeschrieben sind.
Alle neuen Mitarbeitenden des Trägers erhalten im Rahmen ihres Onboardings eine Fortbildung zum Thema Antidiskriminierungskompetenz in der sozialen Arbeit. In diesem Rahmen lernen sie auch das Beschwerdekonzept und die Beschwerdestelle kennen.
Die Beschwerdestellenvertreter*innen haben ein bedarfsorientiertes Stundenkontingent. Einmal jährlich reflektieren Betriebsrat und Geschäftsleitung gemeinsam mit der Beschwerdestelle deren Arbeit. Vierteljährlich findet ein Austauschtreffen der Mitglieder der Beschwerdestelle statt.
Good Practice-Fokus und praktische Erfahrungen
Einzelne Schritte im Verfahren sind detailliert beschrieben
In der Betriebsvereinbarung von basis & woge e. V. wird das Beschwerdeverfahren detailliert beschrieben, einschließlich der konkreten Abläufe, zu beteiligenden Personen, möglichen Konsequenzen und festgelegten Vorgehensweisen. Diese Transparenz ermöglicht es Betroffenen, bereits vor dem Aufsuchen der Beschwerdestelle oder während des Aufklärungsgesprächs genau zu verstehen, was in jedem Verfahrensschritt passiert.
- In einer Zusammenfassung der Erklärung zum „Aufklärungsgespräch“ aus der Dienstvereinbarung heißt es:
„Sobald eine mündliche oder schriftliche Beschwerde vorgetragen wird, erfolgt ein vertrauliches Aufklärungsgespräch mit der beschwerdewilligen Person. In diesem Gespräch werden die Schritte des innerbetrieblichen Beschwerdeverfahrens erläutert und es wird darauf hingewiesen, dass die Identität der beschwerdewilligen Person dem*der Beschwerdegegner*in und der Geschäftsleitung bekannt gemacht wird. Die Geschäftsleitung ist verpflichtet, allen Hinweisen auf Benachteiligung oder Belästigung nachzugehen, auch wenn die Beschwerde zurückgezogen wird. Es werden alternative Beschwerde- und Beratungsmöglichkeiten, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Trägers, vorgestellt. Die beschwerdewillige Person kann am Ende des Gesprächs oder in einem Folgegespräch der Einleitung des Beschwerdeverfahrens zustimmen. Ein Aufklärungsgespräch sollte innerhalb von 14 Tagen nach Kontaktaufnahme stattfinden.“ - Wenn die beschwerdewillige Person der Einleitung eines Beschwerdeverfahrens zustimmt, nimmt die Beschwerdestelle die Beschwerde an. Sie überprüft, ob die Voraussetzungen für ein Beschwerdeverfahren erfüllt sind. Ist dies der Fall, erfolgt die Ermittlung des Sachverhalts.
- In der Ermittlung wird die beschwerdeführende Person befragt. Eine Befragung des*der Beschwerdegegner* in wird mit der Geschäftsleitung abgestimmt. Es werden zudem Zeug*innen befragt und Informationen (zum Beispiel Dokumente oder E-Mails) gesichert. Die Beschwerdestelle nimmt eine Einschätzung des Falls vor und leitet diese an die Geschäftsleitung weiter. Bei Bedarf erfolgt eine juristische AGG-Einschätzung. Die Geschäftsleitung entscheidet über ein arbeitsrechtliches Vorgehen.
- Die Geschäftsleitung ergreift je nach Entscheidung über den Beschwerdefall Maßnahmen. Wenn keine Benachteiligung im Sinne des AGG vorliegt, können dennoch präventive Maßnahmen vereinbart werden. Diese dürfen nicht zu Lasten der beschwerdeführenden Person gehen.
- Die Beschwerdestelle überprüft die ergriffenen Maßnahmen. Sie erhält dazu Auskunft von der Geschäftsleitung.
- Das Verfahren wird schriftlich dokumentiert und datenschutzkonform gespeichert.
Einarbeitungsprogramm für neue Mitarbeitende, bei dem das Diskriminierungsverständnis des Trägers diskutiert wird
Für die Einarbeitung neuer Kolleg*innen hat basis & woge ein Programm entwickelt, das auch Aspekte des Qualitätsmanagements berücksichtigt. Teil des Programms ist eine verpflichtende eintägige Fortbildung. Während dieses Tages stellt sich die innerbetriebliche Beschwerdestelle vor, was laut Mitarbeiter*innenfeedback des letzten Jahres positiv bewertet wird. Die Mitarbeitenden schätzen die Haltung und das Engagement des Trägers, was die Organisation auch für neue Mitarbeitende attraktiv macht. In der Fortbildung wird in das Thema Antidiskriminierung und Antidiskriminierungskompetenz in der sozialen Arbeit eingeführt. Auch die Leitungen kommunizieren das Engagement in dem Bereich Antidiskriminierung aktiv. Ein weiterer wünschenswerter Schritt wäre, dass auch bereits länger beschäftigte Mitarbeitende ein verpflichtendes Fortbildungsangebot erhalten, um Antidiskriminierung als fachlichen Standard weiter zu etablieren.
Begleitung der Beschwerdestelle durch externe Fachexpertise
Zur Qualifizierung der Mitglieder der Beschwerdestelle hat basis & woge e. V. neben intern umgesetzten Schulungen entschieden, mit der Antidiskriminierungsfachstelle ADA Bremen zusammenzuarbeiten. Diese externe Organisation führt Schulungen zum Einrichten und Betreiben innerbetrieblicher Beschwerdestellen durch. Sie begleitet die Mitglieder, bietet eine wertvolle Perspektive auf die internen Prozesse und hilft, die Strukturen und Abläufe zu überprüfen. Gemeinsam wurden mögliche Testfälle durchgespielt. Für aufkommende Rückfragen zu Beschwerdestelle oder - verfahren stehen sowohl interne Ansprechpersonen als auch ADA zur Verfügung. Während der Schulungen werden auch der Ablauf des Erstgesprächs und die Dokumentation behandelt, sodass alle Schritte bereits vor dem Eintreten eines Beschwerdefalls durchdacht sind.
Tipps für die Übertragung
Bei der Einrichtung der Beschwerdestelle sollte diese nicht alleiniger Hauptfokus einer Antidiskriminierungskultur sein, sondern in eine umfassende Strategie eingebettet werden, in der Gespräche über Diskriminierung institutionell verankert sind.
Wichtig ist weiter eine gute Qualifizierung des Teams der Beschwerdestelle, die durch ein klares Konzept gestützt wird.
Personen in der Beschwerdestelle müssen ein klares Verständnis ihrer Rolle und ihres Mandats haben. So kann ein mögliches Spannungsfeld zwischen dem Wunsch, parteilich zu sein, und der emotionalen Belastung, die durch eigene Betroffenheit in bestimmten Situationen entstehen kann, besser aufgelöst werden. Dies ist besonders dann relevant, wenn die eigene Positioniertheit im Zusammenhang mit der Arbeit der Beschwerdestelle angesprochen ist.
Weiterhin bleibt ein Spannungsverhältnis, dass potenzielle Beschwerdeführer*innen den Wunsch nach parteilicher Unterstützung durch die Kolleg*innen der Beschwerdestelle mitbringen, diese jedoch die Funktion einer Prüfung der Beschwerde haben. Insbesondere an den Schnittstellen zu Beratung und Konfliktmoderation stellt dies eine hohe Anforderung an die Rollenklarheit und die Prozesse der Beschwerdestelle dar.