AGG-Beschwerdestelle: Kulturstiftung des Bundes
Die Beschwerdestelle der Kulturstiftung besteht seit 2018, ist beim Vorstand angesiedelt und für Angestellte und Bewerber*innen zuständig.
Das Wichtigste in Kürze
- Arbeitgebertyp:
- Öffentlicher Betrieb und Verwaltung
- Branche:
- Kunst, Unterhaltung und Erholung
- Anzahl der Mitarbeiter*innen:
- circa 70
- Beschwerdestruktur:
- seit 2018
- Weitere Maßnahmen / Strukturen:
- Betriebsrat, Diversitäts-AG
- Good Practice-Fokus:
-
- Die Besetzung und Ansiedlung der Beschwerdestelle nah am Vorstand
- Der Einsatz von deeskalativer Beratung im Vorfeld von formellen Beschwerden
Kontakt
Beschwerdestelle der Kulturstiftung E-Mail: beschwerdestelle@kulturstiftung-bund.de
Kurzbeschreibung des Akteurs
Die Kulturstiftung des Bundes (KSB) wurde 2002 als Stiftung bürgerlichen Rechts gegründet. Sie ist eine Förderstiftung im Kultursektor, die durch Mittel der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert wird. Die Hauptaufgabe der KSB besteht darin, innovative Kunst- und Kulturprojekte im internationalen Kontext finanziell zu fördern und zu unterstützen. Die KSB hat ihren Sitz in Halle/Saale und beschäftigt circa 70 Mitarbeitende.
Gesprächspartner*innen
Das Reflexionsgespräch wurde mit den zwei Beauftragten für die Beschwerdestelle geführt.
Aufbau der Beschwerdestruktur
Die Beschwerdestelle der KSB wurde 2018 durch Vorstand und Betriebsrat mit arbeitsrechtlicher Begleitung über eine Betriebsvereinbarung eingerichtet. Sie ist beim Vorstand angesiedelt und mit einer männlichen und einer weiblichen Person besetzt. Beide wurden aufgrund ihrer Bekanntheit, guter Ansprechbarkeit und Nähe zu den Mitarbeitenden ausgewählt und speziell geschult. Ausschlaggebend für die Auswahl als Beauftragte*r waren auch Kollegialität, Kommunikationsfähigkeit und Verfahrenstreue.
Jährliche Online-Infoveranstaltungen und Intranet-Informationen gewährleisten Niederschwelligkeit und Transparenz der Beschwerdestelle. Die Beschwerdestelle ist für Angestellte und Bewerber* innen zuständig, die die Beschwerdestelle über ein Kontaktformular auf der Website erreichen können.
Das Verfahren ist klar geregelt und verschriftlicht. Es beginnt mit einem vertraulichen Erstgespräch, bei dem die Beauftragten den Fall kennenlernen und das Verfahren vorstellen. Dabei wird auch für mögliche alternative deeskalative Maßnahmen sensibilisiert. Um Befangenheiten vorzubeugen, wird das Erstgespräch, soweit die ratsuchende Person keinen Einwand hat, durch beide Beauftragte geführt. Wenn dann die ratsuchende Person eine Beschwerde einlegt, führt die Beschwerdestelle Ermittlungen durch und kommuniziert Maßnahmenvorschläge an den Vorstand. Der Vorstand entscheidet über die zu implementierenden Maßnahmen, woraufhin die beschwerdeführende Person informiert wird. Die Beschwerdestelle überwacht die Umsetzung der Maßnahmen. Bei nicht nachgewiesenen AGG-Verstößen wird eine solidarische Beratung angeboten.
Die Beschwerdestelle folgt dem Auftragsprinzip und handelt nicht gegen den Willen der beschwerdeführenden Person. Sie hat eine doppelte Loyalität gegenüber Arbeitgeber und Beschwerdeführer* in.
Über das Erstgespräch hinausgehende Beratungsangebote oder Formen alternativer Konfliktbewältigung sind nicht Aufgabe der Beschwerdestelle. Dafür stehen alternative Anlaufstellen wie der Betriebsrat oder eine Diversitäts-AG zur Verfügung.
Good Practice-Fokus und praktische Erfahrungen
Ansiedlung und Besetzung der Beschwerdestelle nah am Vorstand
Die Ansiedlung der AGG-Beschwerdestelle der Kulturstiftung des Bundes in unmittelbarer Nähe zum Vorstand bringt sowohl Vorteile als auch Herausforderungen mit sich. Einerseits genießen die Beauftragten durch diese Stellung ein hohes Maß an Unabhängigkeit und Ansehen innerhalb der Organisation. Sie sind als Persönlichkeiten in der Institution anerkannt und verankert und können in ihrer Funktion auf Augenhöhe mit dem Vorstand agieren. Andererseits kann diese Nähe zur Führungsebene für manche Mitarbeiter*innen abschreckend wirken und die Hemmschwelle erhöhen, sich an die Beschwerdestelle zu wenden. Zudem besteht das Risiko, dass die Beauftragten als „Schützer* innen des Vorstands“ wahrgenommen werden könnten, was ihrer eigentlichen Funktion widerspricht.
Deeskalierende Beratung im Vorfeld von formellen Beschwerden
Auch wenn die AGG-Beschwerdestelle keine Beratung vorsieht, ist sie auch für Anliegen zugänglich, die noch nicht den Status einer offiziellen Beschwerde haben. In diesem „Vorhof von Beschwerden“ eruieren sie in dem vertraulichen Erstgespräch gemeinsam mit der beschwerdeführenden Person, ob eine formelle Beschwerde oder eine informelle Konfliktbewältigung für den jeweiligen Fall geeignet ist.
Bei der Erstkontaktaufnahme wird daher großer Wert auf Transparenz gelegt, indem die Konsequenzen des Beschwerdewegs, wie ein möglicher Verlust der Anonymität im Verfahren, klar kommuniziert werden. Außerdem beraten die Beauftragten, wo sinnvoll, auch zu möglichen Ansätzen der Deeskalation. Sie können dann beispielsweise alternative Lösungswege, wie ein Vier-Augen-Gespräch mit der Person, die der Diskriminierung beschuldigt ist, anbieten. Ziel ist es dabei, Mitarbeiter*innen stark zu machen und sie zu befähigen, Konflikte bereits auf kollegialer Ebene beizulegen, bevor sie eskalieren.
Um in diesem „Vorhof der Beschwerde“ kompetent handeln zu können, haben sich die Beauftragten beispielsweise zu wertschätzender Feedbackgesprächsführung fortgebildet und wollen die Kompetenz in der Klärung von Konflikten noch weiter ausbauen. In diesem Zusammenhang hat die Kulturstiftung 2023 und 2024 über die Dauer eines halben Jahres für alle Mitarbeitenden zudem freiwillige Trainingsmodule angeboten, in denen Verfahren zum Konfliktmanagement und zur gewaltfreien Kommunikation eingeübt werden konnten. Im Jahr 2025 wird dieses Angebot als freiwilliges Online-Basisseminar „Wertschätzende Kommunikation im Team“ für alle neuen Kolleg*innen sowie für alle diejenigen angeboten, die an einer Auffrischung interessiert sind.
Die Beauftragten sind sich ihrerseits allerdings bewusst, dass methodisches Wissen zwar wichtig ist, sich eine wirkliche Kompetenz in der Bearbeitung von Beschwerden und Konflikten aufgrund der bisher geringen Anzahl von Fällen aber erst mit den Jahren aufbaut.
Tipps für die Übertragung
Die Beauftragten raten, ausreichend Ressourcen für die Aus- und Fortbildung der Beauftragten bereitzustellen. Insbesondere in der Etablierungsphase sollte dies ermöglicht werden.
Die Beschwerdestelle dürfe nicht nur als „Blitzableiter“ fungieren, sondern sollte aktiv zur Verbesserung der Organisationskultur beitragen. Ein Schwerpunkt sollte daher auf präventiven Maßnahmen und Deeskalationsstrategien liegen, um Diskriminierung und die Notwendigkeit einer Beschwerde möglichst zu vermeiden. In diesem Zusammenhang sei es wichtig, die Rolle der Beschwerdestelle in der Machtarchitektur der Organisation zu reflektieren, insbesondere auch im Zusammenspiel mit dem Betriebsrat und den Arbeitgeberfunktionen. Außerdem sei es von Vorteil, die Beschwerdebeauftragten auch zur Umsetzung von präventiven Maßnahmen wie diskriminierungssensiblen Workshops zu schulen und einzusetzen, um Konflikte und Diskriminierung präventiv zu verhindern. Dafür muss die Beschwerdestelle mit entsprechenden Zeitressourcen ausgestattet sein.
Übergeordnet empfehlen die Beauftragten mit Nachdruck die Einrichtung einer Beschwerdestelle, da dies ein wichtiges Zeichen setzt, dass das Thema in der Organisation ernst genommen wird. Dies gilt insbesondere auch für Organisationen, die wie sie auch als Förderstiftung eine Vorbildfunktion einnehmen.