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IWO – Integrations - Werkstätten Oberschwaben Handreichung auch in Leichte Sprache

Die IWO – Integrations-Werkstätten Oberschwaben gGmbH haben für Ihre anerkannte Werkstatt für Menschen mit Behinderungen eine Handreichung zur Prävention und Intervention von sexualisierter Gewalt entwickelt, die seit 2014 auch in Leichte Sprache vorliegt.

Arbeitgebertyp:
Gemeinnützige Organisation
Anzahl der Mitarbeiter*innen:
ca. 440
Maßnahme:
Handreichung in Leichte Sprache zur Prävention und Umgang mit sexualisierter Gewalt
Durchführung:
seit 2010
Weitere Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung:

Thematisierung in Schulungen und Qualifizierungsmodulen

Kontakt

Elina Binder, Bereichsleitung FuB / Begleitende Dienste E-Mail: e.binder@iwo-ggmbh.de

Einige Angaben zum Arbeitgeber

Die IWO – Integrations-Werkstätten Oberschwaben gGmbH (IWO) ist eine anerkannte Werkstatt für Menschen mit Behinderungen mit einem Werkstatt- und einem Berufsbildungsbereich sowie einem Förder- und Betreuungsbereich für schwer mehrfach behinderte Personen. Die beiden Gesellschafter der IWO betreiben u.a. Wohnheime, in denen der Großteil der Mitarbeiter*innen wohnt. Die IWO – Integrations-Werkstätten Oberschwaben bietet Arbeit und Bildung auch für gering qualifizierte bzw. arbeitslose Menschen an. Es werden etwa 320 Menschen mit Behinderung beschäftigt.

Ausgangslage und Motivation

Die IWO wurde 2005 gegründet. Beide Gesellschafter betrieben vorher eigene Werkstätten in Weingarten, die fusioniert wurden. Durch die Zusammenlegung ist ein Modellprojekt für eine gemeinsame Werkstatt von geistig und körperlich behinderten Menschen entstanden. Nach einiger Zeit kam es in der Werkstatt vereinzelt zu Vorfällen sexualisierter Gewalt, bei denen es z.B. zwischen geistig und körperlich behinderten Menschen zu Kontakten kam, die als übergriffig empfunden wurden bzw. als übergriffig einzuordnen waren.

Auch im Zusammenhang mit der damaligen gesamtgesellschaftlichen Diskussion über Missbrauchsvorfälle in Schulen und Kirchen stand für die Verantwortlichen der IWO schnell fest, dass sich hier ein Handlungsfeld auftut, welches rasch und offensiv bearbeitet werden musste.
Deshalb wurde ein Arbeitskreis unter Hinzuziehung einer externen Expertin gegründet, um geeignete Maßnahmen zu erarbeiten. Schon der Prozess der Bearbeitung war für viele eine sehr eindrückliche Erfahrung, weil das erste Mal darüber gesprochen wurde, was eigentlich sexualisierte Gewalt ist ,wie unterschiedlich die Vorstellungen davon waren und wo diese beginnt. Auch wurde durch anonyme Interviews unter Werkstattbeschäftigten deutlich, dass Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen einem hohen Risiko von sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind. Als Ergebnis wurde eine Handreichung entwickelt.

Maßnahmenbeschreibung

Die Handreichung zur Prävention und Intervention von sexualisierter Gewalt enthält

  • Begriffsklärungen,
  • gemeinsame Leitlinien für einen angemessenen Umgang mit Sexualität und zum Schutz vor sexuellen Übergriffen,
  • Erläuterungen zur Intervention bei sexuellen Übergriffen sowie Ausführungen zur Präventionsarbeit
  • abschließend weiterführende Informationen u.a. mit Kontaktadressen von Beratungsstellen.

Die Handreichung hat sich von Anfang an als Leitfaden für diejenigen bewährt, die als Ansprechpersonen von Vorfällen sexueller Belästigung erfahren. Für einen Teil der Beschäftigten mit Behinderung war der Leitfaden jedoch nicht nutzbar. Deshalb wurde entschieden, diesen in Leichte Sprache zu übersetzen. Seitdem ist er auch unter allen Beschäftigten deutlich präsenter. Die Übersetzung in Leichte Sprache zeichnet diesen Handlungsleitfaden gegenüber anderen ähnlich angelegten besonders aus.

Der Handlungsleitfaden wird allen Beschäftigten bei Arbeitsantritt übergeben. Darüber hinaus wird er in regelmäßigen Fortbildungen für das pädagogische und Verwaltungspersonal thematisiert, genauso auf Veranstaltungen des Werkstattrates. Im Berufsbildungsbereich, der vor der Werkstattarbeit durchlaufen wird und in dem eine berufs- und tätigkeitsorientierte individuelle Qualifizierung erfolgt, gibt es eigene Unterrichtseinheiten zum Handlungsleitfaden und zum Thema sexualisierte Gewalt.

Stimmen aus der Praxis und Wirksamkeit

Dirk Weltzin, Geschäftsführer der IWO, weist daraufhin, dass eine Handreichung allein nicht als gute Grundlage für die Prävention von sexualisierter Gewalt ausreiche. Die Auseinandersetzung auf dem Weg zum Leitfaden und die ständige Thematisierung hätten aber eine Kultur geschaffen, in der sexuelle Übergriffe nicht geduldet werden. Diese Kultur sei das Entscheidende. Er betont, dass sich die Handreichung und der darin niedergelegte Prozess zur Bearbeitung von Vorfällen bewährt haben. Bei konkreten Vorfällen seien nur wenige Personen involviert - die wüssten aber genau, was zu tun ist.

Am Ende einer Bearbeitung können unterschiedliche Konsequenzen stehen, die sich nach dem einzelnen Vorfall richten. Es mussten im Laufe der Zeit auch Kündigungen wegen sexualisierter Gewalt ausgesprochen werden, die Fälle seien aber in den letzten Jahren sehr selten geworden.

Die ehrenamtliche Frauenbeauftragte, selbst Beschäftigte in der Werkstatt, ist eine der Ansprechpersonen, die bei möglichen Vorfällen sexualisierter Gewalt angesprochen werden können. Sie sagt: „Die Handreichung hilft mir praktisch, das ist ein roter Faden durch eine schwierige Situation, dass ich sagen kann, ok, welche weiteren Schritte kann und muss ich jetzt einleiten und welche Personen muss ich noch zu diesem Fall mit hinzuziehen.“ Die Handreichung ist natürlich nicht nur für diejenigen da, die selbst aktiv werden müssen, sondern vor allem für diejenigen, die belästigt werden. Damit so viele Mitarbeiter*innen wie möglich die Handreichung verstehen und nutzen können, ist es Loredana Mignano, stellvertretende Vorsitzende des Werkstattrates so wichtig, dass diese auch in Leichte Sprache übersetzt worden ist. „Der Werkstattrat war an der Überarbeitung in Leichte Sprache beteiligt, wir haben uns überlegt, wie man sie ausarbeiten kann, dass ihn jeder versteht.“ Sie erhalten auf Werkstatttagen oder anderen Veranstaltungen oft die Rückmeldung, dass durch die Leichte Sprache für viele verständlich wird, welches Verhalten nicht toleriert wird und welche Konsequenzen gezogen werden, wenn sich nicht an die Regeln gehalten wird. Es gibt allerdings auch schwer geistig behinderte Menschen, die selbst durch die Leichte Sprache nicht erreicht werden können. Auch hier wurden Lösungen erdacht. Z.B. wird mit einer roten Karte gearbeitet, die Frauen bei sich tragen können. Wenn ihnen jemand zu nahe kommt, können sie die rote Karte zeigen und dann ist allen klar, dass sie Abstand halten müssen.

Marlene Dreher vom Sozialdienst betont, dass gerade bei einem Thema wie sexualisierter Gewalt Menschen mit Behinderungen oft nicht mitgedacht werden, egal ob es sich um schriftliche Materialien oder um Fortbildungen handelt. Deshalb sei die Übersetzung in Leichte Sprache so wichtig. Sie gibt aber auch zu bedenken, dass z.B. die Situation von Rollstuhlfahrer*innen anders ist und dies bei Konzeptionen mit einbezogen werden muss.

Einbettung der Maßnahme

Allen Beteiligten ist klar, dass eine Handreichung schnell nutzlos werden kann, wenn die Inhalte nicht gelebt werden und der Kultur im Betrieb nicht entsprechen. Deshalb ist die regelmäßige Thematisierung von sexualisierter Gewalt und dem, was im Werkstattleben erlaubt und nicht erlaubt ist, ein wichtiger Bestandteil des Erfolgs der Handreichung. Weitere Maßnahmen, wie z.B. das Wehr-Dich-Training, bringen nach Einschätzung des Sozialdienstes wichtige Erkenntnisse für die Mitarbeiter*innen und helfen ihnen, Situationen, als sexuelle Belästigung zu erkennen.

Tipps für die Übertragung

Unabhängig von den Maßnahmen im eigenen Unternehmen ist die Übersetzung der Materialien in Leichte Sprache etwas, wovon alle Unternehmen, egal ob Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder andere Betriebe, lernen können. Hierfür ist es wichtig auf Profis zu setzen, die kompetent in Leichte Sprache übersetzen können. Inzwischen gibt es hierfür auch professionelle Übersetzungsdienste. Werkstätten für behinderte Menschen sind in vielen Dingen mit ähnlichen Problemen konfrontiert, wenn es um sexualisierte Gewalt geht, in manchen Fällen aber auch mit anderen. So kann z.B. manchmal kein ausreichendes Schuldbewusstsein voraus gesetzt werden und deshalb müssen mögliche Konsequenzen in den innerbetrieblichen Regelungen so verfasst sein, dass sie allen Fallkonstellationen gerecht werden.

Für die Ausarbeitung einer Handreichung muss deshalb sowohl auf die Strukturen im eigenen Unternehmen als auch auf die besondere Situation von Menschen mit ganz unterschiedlichen Einschränkungen geschaut werden, um zu entscheiden welche Interventionsmöglichkeiten gut geeignet sind. Außerdem muss auf das Betriebsklima geachtet werden oder wie die Vertreterin des Sozialdienst es ausdrückt: „Auf keinen Fall nur den Leitfaden nehmen, jedem austeilen und sagen, schaut‘s euch an und damit ist der Fall erledigt, sondern man muss wirklich eingewiesen werden, sensibilisiert und es muss gelebt werden. Also das wäre das Wichtige!“

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