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Stadt München Zentrale Beschwerdestelle für sexuelle Belästigung und häusliche Gewalt

Die Stadt München verfügt über eine vorbildliche zentrale Beschwerdestelle für sexuelle Belästigung und häusliche Gewalt, in der sämtlichen Vorfällen von sexueller Belästigung gegen und durch städtische Bedienstete nachgegangen wird.

Arbeitgebertyp:
Öffentlicher Betrieb und Verwaltung
Anzahl der Mitarbeiter*innen:
mehr als 42.000
Maßnahme:
zentrale Beschwerdestelle
Durchführung:
seit 2002
Weitere Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung:

AGG-Beschwerdestelle, Schulungen

Kontakt

Susanne Henke, Zentrale Beschwerdestelle für sexuelle Belästigung und häusliche Gewalt E-Mail: zbsb@muenchen.de Telefon: 089 – 233 26449

Einige Angaben zum Arbeitgeber

Die Stadt München ist die größte Kommunalverwaltung in Deutschland. Die Verwaltung ist in 15 Referate aufgeteilt, hinzu kommen diverse städtische Betriebe.

Ausgangslage und Motivation

Schon vor Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) 2006 hat die Stadt München die zentrale Beschwerdestelle für sexuelle Belästigung und häusliche Gewalt eingerichtet. Für den gesamten Geltungsbereich der Kommunalverwaltung sollte ein wirksamer Schutz gegen sexuelle Belästigung eingeführt werden. Angesiedelt ist die Beschwerdestelle als Stabsstelle im Personal- und Organisationsreferat in der Rechtsabteilung, in der die Dienstaufsicht über die mehr als 42.000 Beschäftigten der Kommune ausgeübt wird.

Maßnahmenbeschreibung

Die zentrale Beschwerdestelle wird von einer Psychologin geleitet. Zusätzlich sind zwei Volljuristinnen beschäftigt. Bei der Einrichtung der Stelle war deren Unabhängigkeit wichtig. Das heißt, dass die Beschäftigten in der zentralen Beschwerdestelle nicht gleichzeitig andere Funktionen (wie Personalleitung, Personalrat, Gleichstellungsbeauftragte o.ä.) haben, in denen sie mit den potentiellen Beschwerdeführer*innen oder Beschuldigten im Kontakt sein können. So soll eine häufig genannte Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme zu einer Beschwerdestelle von vornherein ausgeschlossen werden. Außerdem sollte eine organisatorische Nähe zur Rechtsabteilung hergestellt werden, weil in Fällen von sexueller Belästigung eine schnelle juristische Einordnung und im Bedarfsfall rechtliche Konsequenzen erfolgen müssen.

Die Stelle ist für alle Beschwerden wegen sexueller Belästigung von und durch städtische Beschäftigte zuständig. Sie ist auch zuständig, wenn Kund*innen oder Kinder bzw. Schüler*innen in städtischen Kitas oder Schulen durch städtische Mitarbeiter*innen belästigt werden. Damit geht ihr Mandat über die Vorgaben des AGG hinaus.

Wenn eine Beschwerde eingeht, erfolgt zunächst immer eine Anhörung der oder des Beschwerdeführenden. Dabei wird geklärt, ob eine offizielle Beschwerde eingelegt und damit auch ein formales Verfahren eingeleitet wird oder nicht. Es passieren keine Schritte ohne die Einwilligung der Beschwerdeführer*in. Dies ist ein sehr wichtiges Prinzip, da viele Betroffene oft sehr unsicher sind, welche Konsequenzen die Beschwerde für sie selbst haben wird. Damit sich überhaupt jemand an die Stelle wendet, müssen diese großen Zweifel und Zugangshürden überwunden werden. Die Leiterin der zentralen Beschwerdestelle, Susanne Henke, berichtet z.B. von Sorgen, selbst eine Kündigung zu erhalten oder zumindest Schwierigkeiten bei der weiteren Karriere zu haben, wenn eine Beschwerde eingereicht wird. In der großen Mehrheit der Fälle gelingt es aber, den Betroffenen durch die Zusicherung von Schutz und größtmöglicher Unterstützung ausreichend Sicherheit zu vermitteln, so dass in fast allen Fällen eine offizielle Beschwerde eingelegt wird.

Ist dies der Fall, wird mit der Anhörung von Zeug*innen und ggf. weiteren beteiligten Personen begonnen. Erst am Ende kommt die Anhörung des oder der Beschuldigten. Nach Abschluss der Anhörungen und wenn sich die Vorwürfe bestätigen, legt die Beschwerdestelle Maßnahmen fest. Diese variieren je nach Schwere des Falls und reichen von Personalgesprächen, Umsetzungen, über Verhaltensvorgaben bis hin zur fristlosen Kündigung. Bei Beamt*innen können disziplinarische Maßnahmen in Betracht kommen. Manchmal ist es notwendig, zu Beginn des Verfahrens eine Person, zumindest vorübergehend, umzusetzen. Ob dies die Beschwerdeführer*in oder die beschuldigte Person ist, muss je nach Kontext zur Wahrung des Betriebsfriedens und des Schutzes der beteiligten Personen entschieden werden. Sollten sich die Vorwürfe allerdings, was nur sehr selten vorkommt, als gezielte Verleumdungen herausstellen, behält sich die Landeshauptstadt dienstaufsichtliche Maßnahmen gegen diese Person(en) vor und stellt dem/der Beschuldigten eine Ehrenerklärung aus.
Die Anzahl der Fälle variiert und geht meist dann in die Höhe, wenn sexuelle Belästigung in der Öffentlichkeit und den Medien stark thematisiert wird.

Für den Fall, dass sich Betroffene nicht zu einer öffentlichen Beschwerde entschließen, werden andere Maßnahmen veranlasst. Sollten z.B. auch andere Personen von der Belästigung mitbekommen haben oder auch davon betroffen sein, werden diese angehört und die Beschuldigten damit konfrontiert, dass mehrere Personen übereinstimmend vertraulich ausgesagt hätten, sich durch die beschuldigte Person belästigt zu fühlen.

Ist dies nicht möglich, werden in den entsprechenden Abteilungen oder Fachbereichen nach Rücksprache mit der jeweiligen Leitung gezielt Informationen zum Thema sexuelle Belästigung und wie man sich dagegen wehren kann (z.B. in Form von Schulungen) verbreitet.

Ein weiterer wichtiger Baustein der Arbeit der zentralen Beschwerdestelle ist die Prävention. Jährlich und bei Neueinstellung bekommen alle Beschäftigten ein Rundschreiben zum AGG. Im Intranet sind ausführliche Informationen über sexuelle Belästigung für die Beschäftigten zu finden. Zudem werden sämtliche Führungskräfte und Personalverantwortliche verpflichtend in einer eintägigen Schulung zum AGG qualifiziert. Hinzu kommt für die gleiche Zielgruppe eine freiwillige eintägige Vertiefungsschulung zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, die mindestens vier Mal jährlich angeboten wird und jeweils ca. 15 bis 16 Teilnehmer*innen hat. Zuletzt wurden schwerpunktmäßig die Nachwuchskräfte der Landeshauptstadt über die Beschwerdestelle informiert. Sie erhielten zu Jahresbeginn 2020 einen Brief mit detaillierten Informationen über die zentrale Beschwerdestelle für sexuelle Belästigung. Künftig soll ein digitales Format gezielt die Nachwuchskräfte über die Zentrale Beschwerdestelle informieren.

Stimmen aus der Praxis und Wirksamkeit

Aus der Sicht von Susanne Henke sind die beiden wichtigsten Aspekte, die eine Beschwerdestelle garantieren muss, Vertraulichkeit und konsequentes Handeln. "Das wichtigste Gut ist die Vertraulichkeit (...) und das zweitwichtigste ist das Sanktionieren. Letztendlich geht es immer um dienstaufsichtliche Maßnahmen. Beratung und Stabilisierung ist auch wichtig, aber das Primäre ist: Ich muss als Betrieb ein Klima schaffen, in dem sexuelle Belästigung ein Thema ist und auch ggf. sanktioniert wird".

Genau dies gelingt der zentralen Beschwerdestelle. Sie schafft es sicherzustellen, dass sich die Beschwerdeführer*innen geschützt und die Beschuldigten nicht vorverurteilt fühlen. Dies bestätigt Katharina Philipp, Vorsitzende des Personalrats im Kreisverwaltungsreferat. Sie betont einerseits, wie gut es gelingt, von sexueller Belästigung Betroffenen ein Gefühl von Unterstützung und Sicherheit zu geben und andererseits auch die Beschuldigten zunächst völlig vorurteilsfrei zu behandeln. Die zentrale Beschwerdestelle zeichnet aus ihrer Sicht eine sehr hohe Sachlichkeit aus. „Meine Wahrnehmung ist, dass keine Vorverurteilung stattfindet, dass sich die Kolleg*innen der Beschwerdestelle alles ganz sachlich und nüchtern anhören. Sie konfrontieren respektwahrend -aber klar - den Beschuldigten mit dem Vorwurf, (…) und dann hören sie sich an, wie er das wahrnimmt, was er gesehen hat oder wie es aus seiner Sicht gewesen ist. Und ich glaube, die „Angeschuldigten“ nehmen wahr, dass sie eben nicht vorverurteilt werden.“ Gleichzeitig wird bei berechtigten Beschwerden nicht gezögert, Konsequenzen zu ergreifen und dabei die Betroffenen bestmöglich zu schützen. „(… ) Ich hatte nie jemanden, der im Nachhinein gesagt hat, das war ein Fehler oder, dass es schlimmer geworden ist als gedacht. Es war immer so, dass hinterher gesagt wurde, ich habe mich richtig gut beraten und richtig gut begleitet gefühlt und es war gut für mich wie es gelaufen ist.“
Die Präventionsarbeit schafft dabei ein Klima, in dem sexuelle Belästigung nicht geduldet wird. Alle sollen ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass sexuelle Belästigung keine Bagatelle ist und an wen sie sich bei Vorfällen wenden können.

Weil es bei über 42.000 städtischen Beschäftigten große Unterschiede gibt, muss die Präventionsarbeit zielgruppenspezifisch ansetzen. Wenn es beispielweise in einzelnen Bereichen keine Computerarbeitsplätze gibt, kann dort nicht mit digital aufbereiteten Informationen gearbeitet werden. Zum Teil müssten auch einfache Sprache oder Bilder eingesetzt werden.

Die Präventionsarbeit muss z.T. auch mit falschen Vorstellungen aufräumen. Erstaunlich häufig kommt die Vorstellung zur Sprache, so Frau Henke, dass Frauen den Vorwurf fälschlicherweise gegen Männer benutzen könnten. „In meiner Arbeit kommt das nur äußerst selten vor. Aber es ist riesengroß in den Köpfen, vor allem bei den Männern.“

Die Wirkung der zentralen Beratungsstelle misst sich an den Lösungen, die in den konkreten Fällen für die Betroffenen gefunden werden. Gleichzeitig ist die Stelle auch ein Statement für sich. Brigitte von Ammon, Leiterin der psychosozialen Beratungsstelle sagt dazu: „(…) das Thema ist der Arbeitgeberin Stadt München so wichtig, dass wir eine extra Stelle eingerichtet haben, an die man sich wenden kann. Das finde ich ganz, ganz zentral, auch als Signalwirkung oder Positionierung, um dem Ganzen eine Bedeutung zu geben.“

Einbettung der Maßnahme

Die Stadt München hat nicht nur eine zentrale Beschwerdestelle für sexuelle Belästigung und häusliche Gewalt, sondern auch eine AGG-Beschwerdestelle für alle anderen AGG-relevanten Vorfälle sowie eine psychosoziale Beratungsstelle für die Mitarbeiter*innen. Zwischen den Beratungsstellen gibt es eine enge Kooperation. So beschreibt Frau von Ammon, dass es in beide Richtungen eine Zusammenarbeit gibt. Manchmal kommen Menschen zu ihr, die sich aber noch nicht trauen, sich wegen einer sexuellen Belästigung an die Beschwerdestelle zu wenden. Ihnen macht sie Mut und versucht, sie weiter zu vermitteln. „Ja, und dann ist die Hürde manchmal sehr hoch, die Rechtsabteilung im Rathaus einzuschalten. Es könnte ja jemand erfahren. Da gibt es sehr viele, auch irrationale Ängste.“ Umgekehrt kommt es auch vor, dass die zentrale Beschwerdestelle merkt, dass in bestimmten Fällen mehr psychosoziale Unterstützung notwendig ist, die von der zentralen Beschwerdestelle nicht geleistet werden kann.

Tipps für die Übertragung

Viele andere Kommunen sind deutlich kleiner und können deshalb keine vergleichbar differenzierte Infrastruktur vorhalten. Trotzdem sind einige, im Folgenden benannten Prinzipen auch für kleinere Kommunen bei einer Einrichtung einer Beschwerdestelle wichtig zu beachten. Aus Sicht von Susanne Henke müsste unabhängig von der konkreten Ansiedlung vor allem darauf geachtet werden, dass es einen kurzen Draht zur Rechtsabteilung gibt. Es muss sichergestellt werden, dass dienstrechtliche Konsequenzen gerichtsfest innerhalb der vorgeschriebenen Fristen erfolgen können. Wenn das nicht möglich ist, wird eine Beschwerdestelle schnell zum „zahnlosen Tiger“. Außerdem muss auch das Prinzip der Vertraulichkeit gewahrt bleiben können und eine Beschwerdestelle darf sich nicht davon abschrecken lassen, dass im Fall von sich gegenüberstehenden Aussagen, nichts gemacht werden könne. „Bei Aussage gegen Aussage hört’s nicht auf, da fängt’s erst richtig an!“ sei ein Leitsatz ihrer früheren Chefin gewesen, den sich Susanne Henke für ihre Arbeit als Maxime genommen hat. In der zentralen Beschwerdestelle der Stadt München hat man sich hierfür extra bei Gerichtspsycholog*innen schulen lassen, um auch die Glaubwürdigkeit von Aussagen überprüfen zu können.

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