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Volkswagen AG Betriebsvereinbarung seit 1996

Seit 25 Jahren wird sexuelle Belästigung in der Betriebsvereinbarung „Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz“ thematisiert und als eine Form der Diskriminierung ausdrücklich untersagt. Eine ausführliche Broschüre gibt umfassende Informationen zum Thema.

Arbeitgebertyp:
Privates Unternehmen
Anzahl der Mitarbeiter*innen:
118.700
Maßnahme:
Betriebsvereinbarung und Informationsbroschüre
Durchführung:
seit 1996
Weitere Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung:

Beratungs- und Beschwerdeangebot, Weiterbildungen

Kontakt

Susanne Preuk, Betriebsrätin und Vorsitzende des Gleichstellungsausschusses E-Mail: susanne.preuk@volkswagen.de

Einige Angaben zum Arbeitgeber

Der Volkswagen-Konzern produziert zwölf verschiedene Marken und zählt zum größten Autobauer Europas. Im Jahr 1960 wurde das bis dahin staatliche Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und teilprivatisiert. Das Land Niedersachsen hält seitdem 20 Prozent der Anteile.

Ausgangslage und Motivation

Die Betriebsvereinbarung „Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz“ wurde im Jahr 1996 erstellt, in der es um unterschiedliche Formen von Diskriminierung geht. Sexuelle Belästigung ist bereits seit der Erstfassung ein fester Bestandteil. Dieses Thema wurde auf Initiative der Betriebsrätinnen und Vertrauensfrauen aufgenommen, die sich Anfang der 90er Jahre stark mit sexueller Belästigung beschäftigten – auch vor dem Hintergrund eines damals sehr hohen Männeranteils im Unternehmen.

Seit der Erstveröffentlichung wurde die Betriebsvereinbarung im Zuge der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geringfügig angepasst, im Wesentlichen war die Betriebsvereinbarung bereits AGG-konform. Im Jahr 2019 wurde die Regelung um die Aspekte fremdenfeindliche Äußerungen, Verhaltensweisen, Symboliken und Stalking ergänzt. Für genauere Erläuterungen der Inhalte der Betriebsvereinbarung wurde im Jahr 2008 die Broschüre „Kollegialität gewinnt!“ herausgegeben, seit 2020 als Online Format.

Maßnahmenbeschreibung

Bei einer Betriebsvereinbarung handelt es sich um eine rechtsverbindliche Übereinkunft zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber*in. Die Betriebsvereinbarung ist vom Gesamtbetriebsrat und der Unternehmensleitung unterschrieben, sie dokumentiert eine einheitliche Haltung der Sozialpartner*innen zum Thema partnerschaftliches Verhalten und regelt Rechte und Pflichten für Arbeitgeber*innen, den Betriebsrat und Beschäftigte. Die Betriebsvereinbarung stellt in der Präambel unter Bezugnahme auf die Konzernrichtlinie die Bedeutung von partnerschaftlichem Verhalten für das Unternehmen klar und präzisiert, dass alle Formen von Diskriminierung als schwerwiegende Störung des Arbeitsfriedens gesehen werden. „Damit ist sowohl jeder Beschäftigte* als auch das Unternehmen verpflichtet, Diskriminierungen zu unterbinden und ein partnerschaftliches Klima zu fördern und aufrecht zu erhalten.“ Dies gilt auch für im Unternehmen tätige Fremdfirmen.

In der Betriebsvereinbarung finden sich Informationen zum Geltungsbereich und es werden die verschiedenen Formen der Diskriminierung kurz definiert. Sie klärt über Beratungs- und Beschwerdemöglichkeiten und deren Ablauf auf, die möglichen Konsequenzen, wie zum Beispiel Sanktionen, sind benannt. Auch die absolute Vertraulichkeit der Ansprechpersonen gegenüber Dritten wird betont. In einem Abschnitt sind die Fördermaßnahmen des Unternehmens beschrieben, dazu gehören zielgruppenspezifische Schulungen gegen Diskriminierung, sexueller Belästigung und Mobbing für betriebliche Vorgesetzte, Auszubildende, betriebliche Ausbildungsbeauftragte, Beschäftigte des Personalwesens und Gesundheitsschutzes sowie den Betriebsrat. Die Betriebsvereinbarung stellt klar, dass alle Beschäftigten dazu verpflichtet sind konkrete Situationen von Diskriminierung bei einer Führungsperson, im Personalwesen oder beim Betriebsrat zu melden und in solchen Situationen direkt zu handeln und nicht wegzusehen.

Während die Betriebsvereinbarung als vierseitiges Dokument den Rahmen absteckt, informiert die Broschüre „Kollegialität gewinnt!“ ausführlicher und konkretisiert die verschiedenen Punkte. In einem einführenden Interview mit dem Personalvorstand und dem Betriebsratsvorsitzenden wird die Bedeutung der Thematik aus Sicht der Sozialpartner dargestellt. Die verschiedenen Diskriminierungsformen sind im Weiteren definiert, ausführlich beschrieben und mit Fallbeispielen hinterlegt. Die rechtlichen Pflichten des Arbeitgebers und mögliche Konsequenzen sind angesprochen. Konkrete Verhaltensmöglichkeiten zum Umgang mit solchen Vorfällen sind getrennt für Betroffene und andere betriebliche Akteur*innen dargestellt („Was Betroffene tun können“ und „Wer kann was tun?“). Diese sollen Vorgesetzten, Betriebsrat und unbeteiligten Kolleg*innen Handlungssicherheit für den Umgang mit entsprechenden Situationen geben. Die Rolle und Vorbildfunktion von Führungspositionen sowie des Betriebsrates wird dabei herausgestellt. Als Ansprechpersonen für Beratungen und Beschwerden sind die AGG-Beratenden benannt, wobei die Unterschiede zwischen einem Beratungs- und Beschwerdeverlauf genau beschrieben sind. Bei der Einstellung werden alle Beschäftigten auf die Betriebsvereinbarung und die weiterführende Online-Broschüre hingewiesen.

Stimmen aus der Praxis und Wirksamkeit

Die Betriebsvereinbarung ist nach Einschätzung von Betriebsrätin Susanne Preuk eines der wichtigsten Handwerkszeuge für den Umgang mit sexueller Belästigung und anderen Diskriminierungsformen, da diese die Werte und Regeln im Unternehmen verdeutliche, alle weiterführenden Maßnahmen legitimiere und sich alle im Betrieb darauf berufen können. Die Betriebsvereinbarung ist das Fundament, auf dem alle Aktivitäten fußen, z.B. auch die Beratungsangebote für Betroffene, die Qualifizierungsmaßnahmen sowie mögliche Sanktionen.

Die Betriebsvereinbarung und die Broschüre sind dabei Dokumente, die bei Bedarf immer wieder auf Aktualität überprüft und angepasst werden können. Es sei jedoch nicht damit getan, ein neues Thema in die Betriebsvereinbarung aufzunehmen. Grundsätzlich müssen bei jeder Ergänzung immer auch die Konsequenzen und mögliche Sanktionen mitgedacht werden. Nur so sei die Regelung in sich stimmig und anwendbar.

Um eine diskriminierungsfreie Kultur im Unternehmen zu gestalten, sind alle Mitarbeitenden gefragt. Daher werden auch die unbeteiligten Dritten in beiden Dokumenten explizit dazu aufgefordert zu handeln. Dies wird von den Verantwortlichen positiv hervorgehoben. Die Verpflichtung Dritter, bei konkreten Vorfällen handeln zu müssen, bringe diese mehr in die Verantwortung. Zudem werde allen Beteiligten durch die Handlungsvorschläge Handlungssicherheit vermittelt. Grundsätzlich sei für die Verhinderung von Konflikten auch frühzeitige Prävention entscheidend. Hier gebe es eine große Bandbreite an Präventionsmaßnahmen.

Einbettung der Maßnahme

Alle, die Anliegen zum Thema sexuelle Belästigung haben, können verschiedene Ansprechpersonen für ein Erstgespräch kontaktieren – neben den AGG-Beratenden sind dies die betrieblichen Vorgesetzten, der Betriebsrat oder auch die Beschäftigten aus dem Personalwesen. Das Beschwerdemanagement und die weiteren Schritte sind diesbezüglich klar geregelt.

Damit alle Mitarbeiter*innen über die verschiedenen Beschwerde- und Unterstützungsmöglichkeiten Bescheid wissen, müssen sie informiert werden. Daher werden neue Beschäftigte im Rahmen der Einstellung und Auszubildende über die Betriebsvereinbarung, die Broschüre und Beratungsmöglichkeiten aufgeklärt. Im Intranet des Unternehmens gibt es eine Seite mit allen relevanten Informationen und Dokumenten zum Thema. Die Betriebsvereinbarung wird außerdem auch regelmäßig bei verschiedenen Aktionen rund um den internationalen Frauentag am 8. März thematisiert.

Es gibt zwei fest etablierte Seminare, welche sich inhaltlich mit den verschiedenen Diskriminierungsformen beschäftigen. Im Rahmen der Führungskräfteausbildung werden die Betriebsvereinbarung, Handlungsoptionen bei Vorkommnissen, der Umgang im Team sowie Möglichkeiten der Prävention aufgezeigt. Das Seminar „Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz“ gibt einen tieferen Einblick in das AGG, einzelne Diskriminierungssachverhalte und die gemeinsame Diskussion konkreter Praxisbeispiele.

Im VW-Konzern existiert darüber hinaus ein Berichtswesen über die disziplinarischen Maßnahmen. Dort werden alle Vorfälle notiert, um den aktuellen Stand sowie die Entwicklung abbilden zu können. Bei einem Anstieg der Fälle bestimmter Diskriminierungsformen könne so mit gezielten Aktionen oder Aufklärungen reagiert werden.

Tipps für die Übertragung

Auch wenn alle Mitarbeitenden grundsätzlich durch verschiedene rechtliche Grundlagen vor sexueller Belästigung geschützt werden, so stellt eine Betriebsvereinbarung zu diesem Thema nochmals die Relevanz heraus und rückt die Position des jeweiligen Unternehmens dazu in den Vordergrund. Dies kann hilfreich sein, um eine diskriminierungsfreie Kultur im Unternehmen zu entwickeln.

Das Erarbeiten einer Betriebsvereinbarung kann dabei nur der erste Schritt sein, dem weitere Maßnahmen folgen müssen, wie z.B. ein vielfältiges Beratungsangebot und verschiedene Weiterbildungsmaßnahmen. Bei der Ausarbeitung der Betriebsvereinbarung können sich andere Unternehmen am AGG orientieren, so die Leiterin der Abteilung Arbeitsordnung Alexandra Romanczyk. Zudem sei es zur Aufklärung und Sensibilisierung aller Mitarbeitenden extrem hilfreich, begleitendes Informationsmaterial wie beispielsweise eine Broschüre auszuarbeiten. Diese könne branchen- und betriebsspezifische Aspekte berücksichtigen, weitaus spezifischer auf die verschiedenen Arten der Diskriminierung eingehen sowie konkrete Handlungsmöglichkeiten für Betroffene sowie Beteiligte aufzeigen.

Das offizielle Logo der Volkswagen AG