Navigation und Service

Fachstelle Kinderwelten für Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung KiDs - Kinder vor Diskriminierung schützen!

KiDs ist eine Antidiskriminierungsberatungsstelle für Kinder bis zwölf Jahre mit den Schwerpunkten Kindertagesstätten und Grundschule. Sie hat dafür eigene Beratungsstandards für diese Zielgruppe entwickelt. Im Mittelpunkt der Beratung stehen die Kinder.

Schulform:
Grundschule
Handlungsfelder:
Externe Antidiskriminierungsberatung, Empowerment
Angaben zum Träger des Praxisbeispiels:
Außerschulischer Bildungsträger, der mit Grundschulen und Kitas arbeitet
Bundesland:
Berlin
Diskriminierungskategorie:
alle Diskriminierungskategorien
Durchführung:
seit 2016

Kontakt

Projekt: Nuran Yiğit E-Mail: nuran.yigit@kinderwelten.net Telefon: 030 80206900 Beratung: Ly-Gung Dieu E-Mail: ly-gung.dieu@kinderwelten.net Beratungsanfragen E-Mail: kids.beratung@kinderwelten.net Telefon: 030 80206323

Durchführende Organisation

KiDs gehört zur Fachstelle Kinderwelten für Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung am Institut für den Situationsansatz (ISTA)/Internationale Akademie Berlin für innovative Pädagogik, Psychologie und Ökonomie gGmbH (INA).
Bei der Fachstelle Kinderwelten arbeiten rund 25 Mitarbeitende. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Bereich Fortbildungen für Mitarbeitende in Kindertagesstätten. Die Fachstelle Kinderwelten ist Teil des durch „Demokratie leben!“ geförderten Kompetenznetzwerks Demokratiebildung im Kindesalter.

Am Reflexionsgespräch Beteiligte

Am Reflexionsgespräch war ein*e Berater*in von KiDs beteiligt.

Ausgangslage und Motivation

Der Bedarf

In den von der Fachstelle Kinderwelten durchgeführten Fortbildungen wurde immer wieder deutlich, dass es in Kindertagesstätten für Kinder und Eltern zu diskriminierenden Situationen kommt. Es gab für diese Altersgruppe aber keine Beratungsstelle, die dafür kompetent und zuständig ist.

Daher wurde die Beratungsstelle KiDs als Antidiskriminierungsberatungsstelle für den Kitabereich gegründet. Die Zielgruppe wurde um die ersten beiden Grundschuljahre ergänzt, weil der Übergang von der Kita in die Schule mit vielen Diskriminierungsrisiken behaftet ist. Manche Familien sind auch mit dem Wechsel aus der eher geschützten Atmosphäre der Kita hinein in die Schulwirklichkeit überfordert.

In der Beratungspraxis wurde recht schnell ein großer Beratungsbedarf im Grundschulbereich sichtbar. Daher wurde die Grundschulzeit der Kinder, die in Berlin sechs Jahre umfasst, komplett ins Beratungsangebot aufgenommen.

Beratungsanliegen

Diskriminierungserfahrungen in Kita und Schule bilden den Schwerpunkt, aber auch aus anderen Lebensbereichen können Kinder ihre Anliegen einbringen.

Dabei sind es in der Regel nicht die Kinder selbst, die sich mit einem Beratungsanliegen an KiDs wenden. Oft sind es die erwachsenen Bezugspersonen, die durch die Diskriminierung des Kindes verunsichert sind und darunter leiden, ihr Kind nicht vor schmerzhaften Erfahrungen in der Schule schützen zu können. Manchmal sind es auch Erfahrungen, die sie selbst in ihrer Schulzeit erlebt haben, was zu Retraumatisierungen führen kann. Oder es geht um Diskriminierungserfahrungen, die die erwachsenen Bezugspersonen nicht aus der eigenen Biografie kennen, sodass sie sich überfordert fühlen.

Ziel ist es hier, die Erwachsenen dabei zu unterstützen, ihre Kinder verstehen und gut begleiten zu können.

Maßnahmenbeschreibung

Der spezielle Beratungsansatz

KiDs arbeitet nach den Standards des Antidiskriminierungsverbands Deutschland (advd) und hat diese für die spezielle Zielgruppe angepasst und weiterentwickelt.

Die Kinder kommen nicht allein in die Beratung, sondern über und mit Bezugspersonen aus der Familie oder auch aus der Nachbarschaft. Sie stehen jedoch auch dann im Mittelpunkt der Beratung, wenn das Beratungsanliegen von den Erwachsenen formuliert wird. Bei KiDs gibt es keine Beratungsprozesse, die sich nur auf Erwachsene beziehen. So erfolgt die Auftragsklärung im Dreieck mit Kindern und erwachsenen Bezugspersonen, um beide oft unterschiedlichen Perspektiven in die Beratung einbeziehen zu können.

Das Erstgespräch erfolgt mit den Bezugspersonen. Darauf folgt ein Kennenlerngespräch mit Bezugsperson(en) und Kind und anschließend mindestens ein Gespräch nur mit dem Kind. Vor allem wenn das Ziel der ratsuchenden erwachsenen Person eine Intervention in der Schule sein soll, muss das Kind mindestens einmal in der Beratung gewesen sein. In den wenigen Fällen, in denen Kinder von sich aus die Beratungsstelle aufsuchen, ist bei Interventionen auch die Vollmacht der Sorgeberechtigten notwendig.

Interventionen

In manchen Beratungsprozessen ist es ein Anliegen der Bezugsperson(en) und der Kinder, mit Unterstützung der Beratungsstelle auf die Kita oder die Schule zuzugehen. Sie wünschen sich ein Vermittlungsgespräch, damit eine diskriminierende Situation beendet oder zumindest benannt werden kann. Anlass können dabei sowohl eine Diskriminierung unter den Kindern sein als auch eine, die von den Lehrer*innen oder weiterem pädagogischem Fachpersonal ausgeht.

Vor diesen Gesprächen wird mit dem Kind geklärt, was und wer angesprochen werden soll und wer eventuell noch dabei sein sollte. Das konkrete Setting muss dann mit der Schule ausgehandelt werden.
Wenn die angesprochene Lehrkraft auf die Anfrage nicht antwortet, gibt es die Möglichkeit, sich an die Schulleitung oder die Schulaufsicht zu wenden. In Berlin gibt es durch das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) die zusätzliche Option einer Meldung an die Ombudsstelle.

Eine andere Form der Intervention ist die Begleitung der Kinder und/oder Bezugspersonen bei Gesprächen, die von der Schule regelhaft oder anlassbezogen organisiert werden. So gibt es Fälle, in denen eine Lehrkraft einen Sonderförderbedarf behauptet, die Eltern dies aber anzweifeln, weil sie eine Überweisung in eine Förderschule verhindern wollen. Bei solchen Anliegen lädt die Schule die Eltern zu einem Austausch ein. Bei diesen Gesprächen treten die KiDs-Berater*innen als Fachexpert*innen auf und nicht nur als persönliche Begleitung der Eltern.

Es werden auch Beschwerdebriefe verfasst, soweit dies im Rahmen der Beratung gemeinsam als zielführende Intervention erachtet wird.

Verstetigung und Verankerung

KiDs war 2016–2019 ein vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördertes Modellprojekt. Seit 2020 ist es regulär durch das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus der Landesantidiskriminierungsstelle des Landes Berlins finanziert.

Stärkung der Kinder

Die größte Wirkung der Beratung liegt in der Stärkung der Kinder. Durch die Beratung verstehen die Kinder, dass das, was ihnen passiert, nicht ihre „Schuld“ ist. Dies kann sehr entlastend sein.
Auch gibt es immer wieder Momente des Verstehens auf der Seite der Schule und auch kleine Veränderungen. Gleichzeitig liegen hier auch Grenzen, wenn Schulen sich nicht wirklich mit der Beschwerde auseinandersetzen. Dies kann sehr frustrierend für die Kinder sein. Sie haben so viel Unterstützung mobilisiert und können doch keine wirkliche Veränderung erreichen. Aber selbst in diesen Fällen gibt es Momente der Stärkung für die Kinder. Sie erleben in dem Prozess, dass die verletzende Situation nicht an ihnen liegt. Vielmehr erfahren sie, dass die Lehrer*innen es nicht ändern wollen.

Stärkung der erwachsenen Bezugspersonen

Die ratsuchenden erwachsenen Bezugspersonen erleben Anerkennung und Stärkung durch die Beratung und die Begleitung zu Gesprächen. Sie können besser einordnen, was passiert ist, und werden wieder handlungsfähig.

Sie erhalten darüber hinaus Informationen zu einschlägigen Publikationen und Fortbildungen.

Einfluss auf die Schulen

Wenn die Berater*innen von KiDs bei den offiziellen Schulgesprächen dabei sind, machen sie meist die Erfahrung, in ihrer Expertise ernst genommen zu werden und für die Anliegen der Kinder etwas erreichen zu können.

Gelingensfaktoren, Herausforderungen und Grenzen

Gelingensfaktoren

Eine Sprache finden

Je nach Alter haben die Kinder in diskriminierenden Situationen noch keinen Begriff dafür, was ihnen widerfährt. Die Berater*innen klären daher im Erstgespräch mit den Bezugspersonen, wie zu Hause über das Thema gesprochen wird und welche Begriffe dem Kind bekannt sind. Diesbezüglich sind die Erfahrungen sehr unterschiedlich. Manche Bezugspersonen möchten Kinder schützen, indem Rassismus nicht benannt wird. Hier versuchen die Berater*innen zu vermitteln, dass es nicht das Wort „Rassismus“ ist, das schmerzt, sondern der Rassismus selbst.

Im Gespräch mit den Kindern geht es dann darum, sich langsam heranzutasten, um eine Sprache zu finden. Das Benennen dessen, was verletzt, ist auch bei Kindern ein wichtiger Teil der Beratung. Es hilft Kindern, Worte zu haben und zu begreifen, was ihnen passiert. So verstehen sie, dass dies nichts mit ihnen als Person zu tun hat, sondern mit den diskriminierenden Zuschreibungen.

Die Kinder als Subjekt in der Beratung

Auch wenn es oft die erwachsenen Bezugspersonen sind, die mit einem Anliegen in die Beratung kommen, gilt der Grundsatz: Es gibt keine Intervention ohne Einverständnis der Kinder.

Kinder vor Täter-Opfer-Umkehr schützen

Immer wieder gibt es Beratungskonstellationen, in denen auch das ratsuchende Kind in der Schule auffällig geworden ist oder sich anderen Kindern gegenüber aggressiv verhalten hat. Die Lehrkraft rechtfertigt ihre Interventionen dann oft mit dem Verhalten der Kinder. Hier nehmen die Berater*innen eine klare Haltung gegenüber der Lehrkraft ein und weisen die Täter-Opfer-Umkehr zurück. Auch dem Kind signalisieren sie: „Diskriminierung ist nicht in Ordnung, egal was du gemacht hast!“

Auch wenn Lehrer*innen sich durch die Vorwürfe des Kindes verletzt fühlen und sich auf die gleiche Stufe mit den Kindern stellen, wird dies als Täter-Opfer-Umkehr zurückgewiesen.

Nicht unvorbereitet handeln

Eltern und Bezugspersonen kommen manchmal sehr kurz vor einem Schulgespräch auf KiDs zu und bitten kurzfristig um eine Begleitung. Die Berater*innen wissen, dass sie als Expert*innen einer Beratungsinstitution oft mehr bewirken können als in der Rolle als Begleitung. Deshalb gehen die KiDs-Mitarbeitenden nicht spontan und unvorbereitet zu solchen Gesprächen mit. Ein weiterer Grund dafür ist, dass in der Regel zuvor eine Kommunikation mit dem Kind nicht mehr möglich ist.


Herausforderungen und Grenzen

Die Macht der Schulen

Es ist für die Berater*innen immer wieder eine herausfordernde Situation, wenn sich trotz einer eindeutigen Diskriminierungserfahrung wenig bewegen lässt. Wenn die Schule nicht bereit ist, zumindest den Versuch zu unternehmen, das Kind vor Diskriminierung zu schützen, gibt es wenig weitere Interventionsmöglichkeiten. Eine Eskalation ist oft nicht im Interesse der Kinder, weil diese genau wissen, dass sie dadurch eigentlich nur verlieren können. Wenn die Kinder es nicht zu einer Eskalation kommen lassen möchten, sind der Beratungsstelle und den Bezugspersonen die Hände gebunden. Nur bei massiven Verletzungen oder Drohungen wirken sie auf das Kind und die Bezugspersonen dahin gehend ein, dass sie den Fall bei der Aufsicht melden.

Personelle Ressourcen

Aus der Beratungsarbeit sehen die Berater*innen von KiDs die Notwendigkeit für die Entwicklung ergänzender Angebote. Diese scheitern bisher an den nicht vorhandenen personellen Ressourcen. Sie sehen einen Bedarf

  • für spezifische Konzepte für diskriminierendes Mobbing, da hier die Einzelfallberatung an Grenzen kommt.
  • für Angebote eines parteilichen Schlichtens mit einer Sensibilisierung für die Machtstrukturen der Schule.
  • für eine psychologische Beratung für Kinder, die stark belastet sind und mehr brauchen, als ihnen die Antidiskriminierungsberatung geben kann.
Fachberatung

Es gibt Anfragen von Grundschulen für eine Fachberatung. Dies bietet KiDs für Grundschulen nicht an. Über eine Organisationsberatung oder eine Schlichtungsfunktion wären sie in einer anderen Rolle mit der Institution verbunden. Es wäre danach nicht mehr möglich, die Kinder parteilich zu beraten, wenn die angestrebte Veränderung nicht eintritt und die diskriminierende Situation nicht beendet wird. Sie empfehlen hier andere Stellen oder geben den Lehrer*innen den Hinweis, dass sie die Familien an KiDs verweisen können.

Tipps für die Übertragung

Die Kinder im Fokus

Wer eine Antidiskriminierungsberatung für diese Altersgruppe aufbauen möchte, muss sich klar entscheiden, wer im Fokus der Beratungsarbeit steht: die Kinder oder die Erwachsenen. Beides kann sinnvoll sein. Die Erfahrung von KiDs zeigt, dass es sich lohnt, ein eigenes Angebot für Kinder zu machen. Dies führt aber auch dazu, bestimmte Abläufe der Beratung anders organisieren zu müssen. Das beginnt schon damit, die Räume deutlich kinderfreundlicher zu gestalten.

Logo: KiDs - Kinder vor Diskriminierung schützen