Landesstelle für Gleichstellung – gegen Diskriminierung – LADG – Ombudsstelle Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung, Berlin
Die LADG-Ombudsstelle hat den Auftrag, Beschwerden von Bürger*innen zu bearbeiten, die bei staatlichen Stellen in der Zuständigkeit des Landes Berlin Diskriminierung erlebt haben. Wenn eine gütliche Einigung nicht möglich ist, hat die Stelle auch die Möglichkeit, die Diskriminierung zu beanstanden.
- Schulform:
- Berufsschule, Förderschule, Gemeinschaftsschule, Gesamtschule, Grundschule, Gymnasium, Oberschule, Sekundarstufe
- Handlungsfelder:
- Externe staatliche Antidiskriminierungsberatungsstelle, Beratung und Intervention bei Diskriminierungsfällen
- Angaben zum Träger des Praxisbeispiels:
- Öffentliche Stelle, die als Teil einer Behörde (LADS) auch für Diskriminierungsbeschwerden von Kindern, Jugendlichen und Eltern aller staatlichen Schulen und Kitas Berlins zuständig ist.
- Bundesland:
- Berlin
- Diskriminierungskategorie:
- alle Diskriminierungskategorien
- Durchführung:
- seit 2020
Kontakt
LADG – Ombudsstelle E-Mail: ladg-ombudsstelle@senjustva.berlin.de Telefon: 030 9013-3456
Durchführende Organisation
Die Ombudsstelle ist angesiedelt bei der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS). Diese ist aktuell Teil der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung. Sie ist somit in die Senatsverwaltung eingegliedert, arbeitet aber nach ihrem gesetzlichen Auftrag trotzdem weisungsunabhängig.
Bei der Ombudsstelle arbeiten zurzeit sieben Mitarbeiter*innen, neben vier Jurist*innen drei Kolleg*innen in der Geschäftsstelle, sowie zeitweise juristische Referendar*innen und Praktikant*innen.
Am Reflexionsgespräch Beteiligte
Am Gespräch nahmen die Leiterin der Ombudsstelle sowie eine Juristin teil.
Ausgangslage und Motivation
Das Land Berlin war im Jahr 2020 das erste Bundesland, das ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) erlassen hat. In den über zehnjährigen Gesetzgebungsprozess wurde die Idee einer Ombudsstelle als eines zusätzlichen Organs der LADS relativ spät eingebracht.
Ziel war, eine starke und unabhängige Stelle zu schaffen, die neben dem Klageweg eine Möglichkeit zur außergerichtlichen gütlichen Streitbeilegung bei Diskriminierungsfällen im Anwendungsbereich des LADG anbietet. Dieser umfasst auch staatliche Schulen in Berlin.
Maßnahmenbeschreibung
Fallaufnahme
Menschen, die bei staatlichen Stellen in Berlin Diskriminierung erfahren, können sich mit ihren Beschwerden an die Ombudsstelle wenden. Die Beschwerden werden vor allem über Brief, Telefon oder E-Mail an die Ombudsstelle gerichtet.
Die Ombudsstelle ist zuständig für alle Fälle im Geltungsbereich des LADG. Kommen Beschwerden bei der Ombudsstelle an, muss daher zuerst geklärt werden, ob die Ombudsstelle zuständig ist. Bezogen auf die Fälle aus dem Bereich Schule ist sie nicht zuständig, wenn es bei dem Fall um private Schulen geht, der Fall außerhalb Berlins liegt oder die Diskriminierungskategorie, auf die sich der Fall bezieht, nicht im LADG aufgenommen ist. Die Diskriminierungskategorien im LADG sind: Geschlecht, ethnische Herkunft, rassistische Zuschreibung, antisemitische Zuschreibung, Sprache, Religion, Weltanschauung, Behinderung, chronische Erkrankung, Lebensalter, sexuelle Identität, geschlechtliche Identität sowie sozialer Status. Wenn das LADG keine Anwendung findet, wird der Fall an andere zuständige staatliche und zivilgesellschaftliche Stellen verwiesen.
Da die Ombudsstelle immer noch keine eigene Beratungsräumlichkeit zur Verfügung hat, erfolgen diese Abklärung und auch der weitere Beratungsprozess weitgehend telefonisch, per Videokonferenz oder schriftlich. Die Ombudsstelle zieht bei Bedarf kostenlos Dolmetscher*innen (auch für Gebärdensprache) hinzu.
Fallbearbeitung
Wenn der Fall angenommen wird, klärt das juristische Team in einem Gespräch mit den Beschwerdeführenden den Sachverhalt. Wenn dabei festgestellt wird, dass eine Diskriminierung nach dem LADG vorliegen könnte, wird auch die Behördenseite angehört, um ein vollständiges Bild von dem Fall zu bekommen. Die Aufforderung zu einer Stellungnahme enthält auch eine erste rechtliche Einordnung durch die Ombudsstelle.
Die Ombudsstelle ist berechtigt, jederzeit Sachverständige hinzuzuziehen und Gutachten einzuholen. Zurzeit verfügt die Ombudsstelle jedoch nicht über die personellen Ressourcen, um Gutachten zu vergeben.
Die öffentlichen Stellen des Landes Berlin, also auch die staatlichen Schulen, sind verpflichtet, die Ombudsstelle bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Sie müssen auf Nachfrage Auskünfte erteilen sowie erbetene Stellungnahmen fristgerecht abgeben. Auch steht der Ombudsstelle ein Akteneinsichtsrecht zu. Wenn auf die Aufforderung zur Stellungnahme keine Rückmeldung kommt, wird in der Regel die nächsthöhere Instanz, im Bereich Schule die Schulaufsichtsbehörde, einbezogen.
Interventionen
Kommt die Ombudsstelle nach Prüfung des Sachverhalts zu dem Schluss, dass ein Verstoß gegen das Diskriminierungs- oder Maßregelungsverbot nach LADG vorliegt, kann sie – nach Rücksprache mit den Ratsuchenden – diesen beanstanden und die öffentliche Stelle zur Abhilfe auffordern. Sie kann Handlungsempfehlungen aussprechen und Beschwerden an die nächsthöheren Stellen weiterleiten. Die Handlungsempfehlungen können sowohl die individuelle Ebene adressieren (zum Beispiel Entschuldigung aussprechen, Maßnahmen im konkreten Fall einleiten) als auch die strukturelle Ebene (zum Beispiel Schulordnung ändern, Fortbildungen durchführen).
Sie hat aber selbst keine unmittelbaren Durchsetzungs- und Sanktionsmöglichkeiten. Wenn eine Schule eine aus der Sicht der Ombudsstelle berechtigte Beschwerde nicht beantwortet oder inhaltlich zurückweist, ist die Beanstandung das letzte Mittel der Ombudsstelle. Die Beschwerdeführenden haben dann die Möglichkeit, mit Bezugnahme auf die Beanstandung zu klagen.
Wenn die Ombudsstelle über eine Beschwerde von strukturellen Problemlagen oder über den Einzelfall hinausgehenden Missständen erfährt, hat sie auch die Möglichkeit, auf dem ministeriellen Weg diesen Missstand bei der Senatsverwaltung für Bildung anzusprechen.
Verstetigung und Verankerung
Aufgrund der gesetzlichen Verankerung in § 14 LADG ist die Ombudsstelle fest etabliert.
Positive Effekte aus Sicht der Akteur*innen
Die Ombudsstelle verzeichnet insgesamt, aber auch besonders im Schul- und Bildungsbereich aufgrund des größeren Bekanntheitsgrads, stetig wachsende Fallzahlen. Waren es 2022 insgesamt 36 Fälle, wurden allein im ersten Halbjahr 2023 schon 46 Fälle angenommen.
Von den Beschwerdeführenden bekommt die LADG-Ombudsstelle insgesamt ein positives Feedback zu ihrer Beratungsarbeit. Für viele Beschwerdeführenden ist es sehr bedeutsam, von einer staatlichen Stelle eine Anerkennung der erlebten Diskriminierung zu erhalten.
Bei den Rückmeldungen der Beschwerdeführenden wird auch hervorgehoben, dass die Berater*innen ihre Möglichkeiten und Grenzen sehr transparent machen, auch dann, wenn sie im konkreten Fall nicht helfen können.
Für die Durchsetzung gegenüber den Schulen sind die starke Position der Ombudsstelle sowie die gesetzliche Grundlage des LADG sehr hilfreich. Die Aufforderung der staatlichen Ombudsstelle zur Stellungnahme führt bei mehr Schulen zu einer zwingenden Auseinandersetzung mit der Beschwerde als bei Beschwerdebriefen von zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen.
Gelingensfaktoren, Herausforderungen und Grenzen
Gelingensfaktoren
Stellung der Ombudsstelle
Die Ombudsstelle verbindet eine starke Position in der Senatsverwaltung und ihre Einbindung in der Landesstelle für Gleichstellung – gegen Diskriminierung – mit einer sehr weitgehenden Unabhängigkeit. Das Team der Ombudsstelle ist frei in der Ausgestaltung deren Auftrags.
Sie versteht sich in ihrer Beratungshaltung aufgrund der bestehenden gesellschaftlichen Machtverhältnissee nicht als neutral, wie es für eine staatliche Stelle erwartbar wäre. Die Diskriminierungserfahrungen der beschwerdeführenden Personen werden nicht infrage gestellt. Zwar kann das Ergebnis der Bewertung sein, dass es sich im konkreten Fall nicht um eine Diskriminierung im Sinne des LADG handelt. Oder es kann der Nachweis nicht erbracht werden, obwohl die beschwerdeführenden Personen glaubwürdig sind. Aber die Haltung der Berater*innen ist trotzdem, Raum zu schaffen für das Erlebte und den Ratsuchenden mit Empathie zu begegnen.
Dadurch, dass sie nicht Teil der Schulbehörden ist, hat sie auch eine größere Distanz zu dem System Schule. Trotzdem schätzen die Berater*innen, dass sie über ihre Position als schlichtende Stelle auch Einblick in beide Seiten bekommen.
Das LADG
Die Wirksamkeit der Ombudsstelle hängt eng zusammen mit der Stärke des rechtlichen Auftrags durch das LADG. Hier ist das Ombudsverfahren rechtlich klar geregelt, das Beanstandungsrecht ist zwar kein Durchsetzungsinstrument, aber doch eine Interventionsmöglichkeit, die weit über die Spielräume von anderen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen hinausgeht.
Kooperation und Netzwerkarbeit
Für die Ombudsstelle hat die Netzwerkarbeit einen hohen Stellenwert. Sie begreift sich dabei als Partnerin von zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen. Dies zeigt sich unter anderem in der hohen Zahl der Fälle, die über Verweisberatung durch andere Beratungsstellen, über Beauftragte für Menschen mit Behinderungen oder ähnliche Strukturen zur Ombudsstelle finden. Diese Kooperation findet auch unmittelbar auf Fallebene statt, indem gemeinsam überlegt wird, wer bezogen auf einen konkreten Fall mit seinen jeweiligen Möglichkeiten was erreichen kann.
In den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg arbeitet die Ombudsstelle mit Fachstellen für Diskriminierung an Schulen zusammen, die im Bezirk für Diskriminierungsbeschwerden im Bereich Schule zuständig sind. Diese Anlaufstellen werden vom Senat gefördert, sind aber bei zivilgesellschaftlichen Trägern angesiedelt. Diese Träger haben durch ihre Ressourcen und ihre Nähe zu den Schulen andere Möglichkeiten, an Schulen bei Vermittlungsgesprächen mitzuwirken. Dafür nutzen sie rechtliche Einschätzungen der Ombudsstelle, umgekehrt nutzt die Ombudsstelle die pädagogische Expertise der Anlaufstellen.
Herausforderungen und Grenzen
Begrenzte Wirksamkeit
Auch die Ombudsstelle ist abhängig davon, wie die Schulen auf die Beschwerden antworten. Es gibt Schulen, die etwas verändern wollen, es gibt aber auch Schulen, die mit Abwehr reagieren. Hier spielt neben mangelnder Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme auch die Überbelastung des Schulsystems durch mangelnde Ressourcen eine Rolle.
Aber auch aufseiten der LAG-Ombudsstelle fehlen die Ressourcen, um vor Ort in der Schule zu intervenieren. Auch deswegen ist die beschriebene Kooperation mit den Anlauf- und Beratungsstellen in den Bezirken so wichtig. In den Bezirken ohne solche Stellen finden daher nur wenige Schlichtungsgespräche statt. Schlichtungen sind zudem sehr aufwendig, weil die Ombudsstelle oft erst einbezogen wird, wenn die Beziehungen zwischen beschwerdeführenden Schüler*innen und ihren Sorgeberechtigten durch lang anhaltende Konflikte bereits gestört sind. So kann es sein, dass sich die Beschwerdeführenden nicht mehr auf eine gütliche Einigung einlassen wollen.
Begrenzung auf die Beratung von direkt Betroffenen
Der gesetzliche Auftrag beschränkt die Möglichkeiten der Ombudsstelle auf Einzelfallbeschwerden. Sie können ein Beschwerdeverfahren nach § 14 LADG nur einleiten, wenn die betroffene Person selbst eine Beschwerde einreicht. Im Bereich Schule handelt es sich hierbei in der Regel um Einzelfallbeschwerden von Eltern oder Schüler*innen. Faktisch kommen viele Beschwerden auch über Beratungsstellen, einige auch über Lehrkräfte. Um diese Spielräume zu erweitern, benötigen sie mittelfristig ein Initiativrecht, also die Möglichkeit, auch bei Diskriminierungen, die von Dritten berichtet werden, tätig zu werden.
Grenzen des Bildungssystems
Beschwerden aus dem Bereich Schule haben verschiedene Spezifika, die ihre Bearbeitung erschweren.
- Kinder und Jugendliche sind oft zum Zeitpunkt der Beschwerde nur noch eine begrenzte Zeit an der Schule. Ihr berechtigtes Anliegen ist, dass sich schnell etwas ändert. Die Klärung von Beschwerden und speziell der Klageweg dauern hierfür oft viel zu lange.
- Schulen und auch die Schulaufsicht haben in aller Regel keine internen Strukturen, wie sie mit Beschwerden umgehen. Es bräuchte eine zuständige und qualifizierte Person, die bei Beschwerden der LADG-Ombudsstelle den Auftrag hat, diese zu bearbeiten.
- Die Bearbeitung von Schulbeschwerden verlangt ein großes Wissen über das System Schule und sehr viele Ressourcen in der Bearbeitung. Um diesen Beschwerden wirklich gerecht zu werden, bräuchte es – so die Einschätzung der Ombudsstelle – innerhalb der Ombudsstelle eine eigene Säule, die sich speziell mit Beschwerden im Kontext Schule beschäftigt.
Tipps für die Übertragung
Zentrale Punkte für die Unabhängigkeit der Ombudsstelle sind die rechtliche Verankerung im Gesetz sowie die Absicherung der Ressourcen im Landeshaushalt.
Es hat sich bewährt, das Team in Bezug auf die Qualifikationen möglichst divers zusammenzusetzen. Neben juristischen Kompetenzen sind auch pädagogische und sozialpsychologische Kompetenzen wichtig und ermöglichen eine Tandemberatung mit verschiedenen Expertisen und Perspektiven auf den Fall.
