RAA Sachsen e. V. Peer Leadership Sachsen – Training für interkulturelle Kompetenz und Demokratie
Das Trainingsangebot „Peer Leadership Sachsen“ ist eine zweijährige Ausbildung mit regionalen und überregionalen Seminarwochenenden. Einem konsequenten Peer-to-Peer-Ansatz folgend, werden Schüler*innen ab 13 Jahren der 7. bis 9. Klassen befähigt, zu Themen wie Vorurteilen, Diskriminierung, Toleranz, Asyl, Demokratie und Zivilgesellschaft zu arbeiten.
- Schulform:
- Gymnasium, Sekundarstufe, Oberschule
- Handlungsfelder:
- Peer-to-Peer-Ansatz, Kooperationen mit außerschulischen Partner*innen, Empowerment, Verbesserung des Schulklimas
- Angaben zum Träger des Praxisbeispiels:
- Außerschulischer Träger, arbeitet mit allen Schulformen zusammen
- Bundesland:
- Sachsen
- Diskriminierungskategorie:
- alle Diskriminierungskategorien
- Durchführung:
- seit 2011
Kontakt
Elisabeth Glaschker E-Mail: peerleaders@raa-sachsen.de Telefon: 0176 57735662 Website: https://www.raa-sachsen.de/peerleadership-sachsen
Durchführende Organisation
Die RAA Sachsen (Regionale Arbeitsstellen und Angebote für Bildung, Beratung und Demokratie Sachsen e. V.) ist eine Regionalstelle für demokratische Kultur und politische Bildung in Sachsen. Es gibt drei große Arbeitsbereiche. Im Feld „Bildung und Förderung“ bietet die RAA Sachsen langfristige Fortbildungsformate für Schulen, Jugendeinrichtungen und spezifische Zielgruppen wie die Feuerwehr an. Über allen Arbeitsbereichen steht die Demokratiestärkung als Leitziel.
Am Reflexionsgespräch Beteiligte
An dem Reflexionsgespräch haben die Projektleitung, die für die Projektkoordination, Durchführung und Auswertung verantwortlich ist, und der Senior Trainer teilgenommen, der Trainer*innen ausbildet und die Inhalte der Module ausgestaltet.
Ausgangslage und Motivation
Die RAA Berlin hat Anfang der 2000er ein Konzept für das Peer Leadership entwickelt, das später von der RAA Sachsen übernommen und weiterentwickelt wurde.
Die Motivation hinter dem Peer-Leadership-Projekt ist, Jugendliche zu befähigen, für sich selbst und für andere einzutreten.
Maßnahmenbeschreibung
Die Ausbildung zum*zur Peerleader*in richtet sich an Schüler*innen ab 13 Jahren ab der 7. Klasse an sächsischen weiterführenden Schulen. Die Ausbildung bietet die Möglichkeit, Themen wie Mobbing, Diskriminierung, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Vorurteile und Ausgrenzung in den Blick zu nehmen und zu bearbeiten. Jugendliche können sich mit den Themen auseinandersetzen, sich Wissen dazu aneignen, um unter anderem an der eigenen Schule das Schulklima zu verbessern, stärkere Selbstwirksamkeit zu erleben, eine größere Zivilcourage zu ermöglichen und empowernde Elemente an einer Schule zu stärken.
Rahmenbedingungen der Ausbildungsreihe
Die Ausbildungszeit beträgt zwei Jahre. Im Schnitt sind es vier Schulen, die an einer Ausbildungsreihe teilnehmen. Die Schulleitung muss dem Projekt zustimmen, dazu werden Kooperationsvereinbarungen mit den Schulen abgeschlossen.
An einer Schule sollten sich für eine Ausbildungsgruppe vier bis acht Jugendliche finden. Der*die Gruppenbetreuer*in ist in der Regel der*die Schulsozialarbeiter*in oder eine Lehrkraft.
Verlauf einer Ausbildungsreihe – die Module
Es werden drei überregionale Seminarwochenenden (drei Module) pro Jahr zur Vermittlung inhaltlicher Themenschwerpunkte durchgeführt. Für die Module gibt es ein Curriculum (siehe weitere Informationen).
Alle Module finden ohne Erwachsene statt. Die Peerleaders arbeiten ausschließlich mit den Peer-Trainer*innen zusammen. In der Zeit gibt es ein paralleles Angebot der Projektleitung für die Gruppenbetreuer*innen der Schüler*innen (in der Regel Schulsozialarbeiter*innen oder Lehrkräfte), die an dem Wochenende mitgefahren sind.
Die sechs Module für die Peerleaders-Ausbildung sind:
1. Modul: Peer Education – Aufklärungsarbeit – Einführung – Gruppenfindung
2. Modul: Identität und Biografie – Selbstkompetenz stärken
3. Modul: Entwicklung der Methodenkompetenz und Projektmanagement
4. + 5. Modul: Diskriminierung und Vorurteile; Handlungsstrategien bei Diskriminierung
6. Modul: Auswertung der Peer-Projekte und Abschluss
Der erste Zusatzworkshop findet für alle Regionalgruppen aus dem Jahrgang nach dem ersten Halbjahr statt. Er wird zum einen als Reflexionsraum und Erfahrungsaustausch genutzt. Zum anderen wird mit den Schüler*innen auf deren Möglichkeiten und Grenzen ihrer demokratischen Partizipation im System Schule geschaut.
Der zweite Zusatzworkshop baut auf die Module 4 und 5 auf. Die Peerleaders wenden die erlernten Kompetenzen beispielsweise im Themenfeld „Flucht und Asyl“ an.
Die Themen können sich über die Jahre wandeln. Aktuell sind es LGBTQIA*-Themen, die die Jugendlichen besonders interessieren.
Arbeit in den Regionalgruppen
Nach jedem Modul finden regelmäßige Treffen in den jeweiligen Schulen statt. Bei den Treffen wird besprochen, wie eigene Projekte an der Schule umgesetzt und Wissen in die Schulgemeinschaft transferiert werden kann. Die Projekte können verschiedene Formate haben, unter anderem eine Theateraufführung oder eine Podcastreihe zu Diskriminierung. Die Schüler*innen setzen die Projekte eigenverantwortlich um, werden aber von dem*der Sozialarbeiter*in beziehungsweise Lehrkraft begleitet.
Nachwuchs an Peer-Trainer*innen
Die Peer-Trainer*innen bilden die Schüler*innen zu Peerleaders aus. Wenn diese ihre Peerleaders- Ausbildung abgeschlossen haben, haben sie die Möglichkeit, selbst Peer-Trainer*innen zu werden. Das bedarf einer zusätzlichen Ausbildung. Der Nachwuchs bei den Peer-Trainer*innen ist ein wichtiger Faktor, wenn es um die Absicherung der Peerleaders-Ausbildung geht.
Ziel der Ausbildung
Die Ausbildung zum*zur Peerleader*in soll Jugendliche befähigen, für sich und andere einzutreten, eine Vorbildfunktion zu übernehmen und mithilfe von Projekten, Workshops, Aktionen et cetera ihre Peergroup zu informieren, zu sensibilisieren und zu bilden. Die Jugendlichen werden als Peerleaders befähigt, Veränderungen an der eigenen Schule mit auf den Weg zu bringen.
Verstetigung und Verankerung
Das Programm „Peer Leadership Sachsen – Training für interkulturelle Kompetenz und Demokratie“ – wird gefördert im Rahmen des Landesprogramms „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“. Das Programm wird kontinuierlich seit zwölf Jahren über dieses Landesprogramm finanziert und die RAA Sachsen ist ein anerkannter und etablierter Träger in Sachsen.
Positive Effekte aus Sicht der Akteur*innen
Peer-to-Peer-Ansatz
Der Peer-to-Peer-Ansatz ist eine gute Strategie, Themen von Jugendlichen für Jugendliche sensibel zu transferieren und Wissen weiterzugeben. Ein Ziel ist dabei, Jugendliche zu stärken und sie zu befähigen Expert*innen im Themenfeld der Demokratiebildung zu werden.
Stärkung der Selbstwirksamkeit der Jugendlichen
Die Jugendlichen planen und führen ihre eigenen Projekte an ihrer Schule durch, erleben eine große Wertschätzung von Lehrer*innen und werden unter anderem als Expert*innen wahrgenommen, wie zum Beispiel beim Thema Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Diskriminierung. Sie gestalten die Inhalte ihrer Projekte selbstständig und sind motiviert, sich Themen selbst zu erschließen. Zudem lernen die Peerleaders selbstbewusst vor einer Gruppe zu reden und in der Gruppe zu diskutieren.
Sensibilisierung
Die Jugendlichen werden sensibler, entwickeln ein Gerechtigkeitsbewusstsein oder eine sensible Sprache. Ein Beispiel aus einer Schule: Schüler*innen haben sich organisiert und haben sich gemeinsam gegen sexistische Sprüche positioniert. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Reflexion der eigenen Rolle.
Vertrauen und Halt
Der Peer-to-Peer-Ansatz hilft dabei, dass die angehenden Peerleaders Vertrauen zur ihren Peer-Trainer*innen aufbauen können. Die Peerleaders gewinnen Mut, ihre eigene Geschichte zu teilen. Die Peerleaders-Ausbildung ist gekoppelt an die Zeit der Pubertät. Die Peer-Trainer*innen haben festgestellt, dass die Ausbildung und die Arbeit in der Gruppe den Schüler*innen Halt geben.
Stärkung der demokratischen Handlungskompetenz
Die Jugendlichen sind befähigt, für sich und andere einzutreten und eine Vorbildfunktion zu übernehmen. Rassismus wird zum Beispiel auch von nicht betroffenen weißen Schüler*innen thematisiert. Sie haben das Bewusstsein und das Verständnis, dass nicht bei den Schüler*innen mit Rassismuserfahrung die Verantwortung liegt, Rassismus in der Schule zu benennen. Zum Teil werden sogar Diskriminierungen durch Lehrer*innen von den Schüler*innen thematisiert.
Den Aufklärungs- und Bildungsauftrag begreifen die Peerleaders bis ins Elternhaus und in den Freund*innenkreis hinein.
Gelingensfaktoren, Herausforderungen und Grenzen
Gelingensfaktoren
Peer-to-Peer-Ansatz
Ein wesentlicher Gelingensfaktor ist der Peer-to-Peer-Ansatz. Die Module werden ausschließlich von den Peer Trainer*innen durchgeführt und nicht von Erwachsenen. Die Peers generieren ihr Wissen aus sich selbst heraus. Zudem sind sie sehr frei in der Projektumsetzung, es wird nichts von außen hereingegeben.
Die Peer-Trainer*innen werden von den angehenden Peerleaders als deren Anwält*innen erlebt.
Gute Rahmenbedingungen
Die Jugendlichen treffen sich in den Modulen am Wochenende außerhalb des Schulalltags und des alltäglichen Lebens. Sie lernen dort neue Menschen in heterogenen Gruppen von Jugendlichen kennen.
Ein weiterer Aspekt ist, dass die Peer-Trainer*innen sich nicht um organisatorische Aspekte der Ausbildungswochenenden kümmern müssen, sondern sich ausschließlich auf die Arbeit mit den Peerleaders konzentrieren dürfen.
Raum für persönliche Erfahrungen – Safer Space
An den Ausbildungswochenenden wird den Peerleaders der Raum ermöglicht, im Sinne eines Safer Space ihr persönliches Erleben und ihre persönlichen Erfahrungen als Jugendliche zu teilen. Die Jugendlichen haben den Raum, über ihre Herzensthemen in einem geschützten Rahmen zu sprechen.
Herausforderungen und Grenzen
Hohe Nachfrage bei den Schulen – begrenztes Angebot
Es gibt ein großes Interesse bei den Schulen an dem Ausbildungsangebot. Die Nachfrage ist größer als das Angebot. Pro Ausbildungsreihe werden vier Schulen in das Programm aufgenommen. Die anderen Schulen kommen auf Wartelisten.
Spannungsfeld unter den heterogenen Peerleaders
Die Auswahl der teilnehmenden Schüler*innen für die Ausbildung treffen die Lehrkräfte und/ oder die Schulsozialarbeit mit dem Ziel, eine möglichst diverse Gruppe zusammenzustellen.
Die Heterogenität der Gruppe ist ein wichtiger Grundsatz und zugleich stellt dieser Trainer*innen vor Herausforderungen. Es können Jugendliche in der Gruppe sein, von denen Diskriminierung und/oder Gewalt ausgeht. Zugleich können dann auch Jugendliche dabei sein, die von Diskriminierung und/oder Gewalt betroffen sind. Die Trainer*innen stoßen vor allem bei der Unterstützung von Betroffenen an ihre Grenze. Das Auffangen in der jeweiligen Situation ist für Trainer*innen schwierig. Wenn Trainer*innen an ihre Grenzen stoßen, erhalten sie Unterstützung durch den Senior Trainer und die Projektleitung.
Nachfolgefrage bei den Peer-Trainer*innen
Eine Frage, die die Projektleitung beschäftigt, ist, wie Peer-Trainer*innen an das Projekt gebunden werden können. Die Jugendlichen werden während der zweijährigen Ausbildung begleitet, anschließend kann das Projekt nur noch punktuell Begleitung bieten. Wenn es für die Jugendlichen dann weiter in die Berufsausbildung geht, wird es schwierig, diese Jugendlichen als Trainer*innen zu halten.
Tipps für die Übertragung
Diversität in der Ausbildungsgruppe
Die Projektleitung des Peer Leadership Sachsen muss sich mit den Themen Vielfalt und Diskriminierung auseinandersetzen, um die Zugänge zu diesem Ausbildungsangebot niedrigschwellig zu halten. Es sollen nicht überwiegend privilegierte Jugendliche angesprochen und für die Ausbildung gewonnen werden. Der Vielfaltsaspekt spielt in der Zusammensetzung der Schüler*innen für die Ausbildung eine wichtige Rolle.
Peer-Trainer*innen-Ausbildung absichern
Es ist nicht zu unterschätzen, einen echten Peer-to-Peer-Ansatz umzusetzen. Jugendliche sind Expert*innen in eigener Sache und tragen wesentlich zum Gelingen der Ausbildung bei. Vor dem Hintergrund ist die Absicherung einer angemessenen Finanzierung des Peer-Trainer*innen- Ausbildungsprogramms wichtig.
