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Verfahren zur diskriminierungsfreien und bedarfsbasierten Vergabe von Wohnraum (Choice-based Letting, CBL) Cheshire Homechoice – Großbritannien

Die Vergabepolitik CBL ist ein mieter*innenzentrierter Vergabemechanismus auf dem sozialen Wohnungsmarkt in Cheshire, der von einer Vielzahl von Wohnungsanbieter*innen genutzt wird.

Das Wichtigste in Kürze

Art des Wohnungsmarktakteurs:
Kommune / Land
Diskriminierungsmerkmale:
Behinderung, Ethnische Herkunft / Rassismus, Familiengröße, Fluchthintergrund, Geschlecht, Religion / Weltanschauung, Sexuelle Identität, Sozioökonomischer Status, Wohnungslosigkeit
Durchführung:
Bezirk Cheshire East in Cheshire (England) seit 2010

Kontakt

Nic Abbott - Deputy Housing Options Manager, Cheshire East Council E-Mail: nic.abbott@cheshireeast.gov.uk Telefon: +44 16 25 378 055

Angaben zum Wohnungsmarktakteur

Cheshire Homechoice ist ein Dienstleistungsangebot für die Wohnungsvergabe im öffentlich geförderten Wohnungsbau, das dem Ansatz des „Choice-based Letting“ (CBL) folgt. Es wird umgesetzt in einer Partnerschaft der lokalen Verwaltung, dem Cheshire East Council Service, mit drei großen Wohnungsunternehmen, dem Peaks & Plains Housing Trust, der Plus Dane Group und der Guinness Partnership. Darüber hinaus sind zahlreiche weitere Wohnungsunternehmen in dieser Partnerschaft registriert und über die Entscheidungsgremien vernetzt. Cheshire Homechoice ist ein Arbeitsbereich in der kommunalen Verwaltung. Die Stelle bietet auch Beratung zum Thema Wohnen und die Vermittlung von wohnunterstützenden Dienstleistungen an.

Ausgangslage und Motivation

Großbritannien erlebte 2001 in mehreren nordenglischen Städten heftige Unruhen, deren Ursachen sowohl in sozialer und ethnischer Segregation gesehen wurden als auch im mangelnden Zugang zu einem angemessenen Wohnungsangebot. Vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Untersuchungen nachbarschaftlicher Segregation entlang ethnischer und sozioökonomischer Grenzen und ihren Effekten auf insbesondere vulnerable, häufig von Diskriminierung betroffene Gruppen und des Anliegens, zukünftigen Unruhen wohnungspolitisch vorzubeugen, wurden auf nationaler Ebene neue wohnungspolitische Richtlinien entwickelt. Diese Richtlinien stellten die Wahlmöglichkeiten für Mieter*innen im sozialen Wohnungsbau in den Mittelpunkt britischer sozialer Wohnungspolitik. Daraufhin wurde das Choice-Based Letting als Verfahren im britischen Wohnungsbaugesetz (Housing Act 1996, Teile 6 und 7) sowie in den entsprechenden Verwaltungsvorschriften verankert. Des Weiteren bestehen in Großbritannien durch die nationale Gleichbehandlungsgesetzgebung für den öffentlichen Sektor sogenannte ‚public sector duties’ (siehe: öffentliche Gleichbehandlungsverpflichtungen). Alle öffentlichen Institutionen der Wohnraumversorgung, private Wohnungsunternehmen und auch kleine Eigentümer, die öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau oder auch Wohnheime vermieten, sind an die in den ‚public sector duties’ formulierten Anforderungen von Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung gebunden (Housing Diversity Network, 2015).

Darüber hinaus führten ökonomische Gründe zur Einführung des CBL in Cheshire East. Wohnraumsuchende mussten sich dort vorher auf verschiedenen Wartelisten eintragen, die Vergabe variierte in Bezug auf lokale Verwaltungsvorgaben und es gab wenig Konsistenz bei der Wohnraumvergabe. Das über Cheshire Homechoice vernetzte CBL vereinheitlicht die Vergabepraxis und führt zu einer Kostensenkung für die Vermieter*innen im Bereich der Vergabe.

Maßnahmenbeschreibung

Das Vergabeverfahren CBL wird in Großbritannien seit bald zwei Jahrzehnten im sozialen Wohnungsbau praktiziert. Zentrales Ziel dieses wohnungspolitischen Instruments ist es, Menschen mit dringendem Wohnungsbedarf sozialen und günstigen Wohnraum fair und objektiv zugänglich zu machen. Das Grundprinzip ist dabei, dass nicht Vermieter nach häufig intransparenten Kriterien Mieter*innen auswählen, sondern Mieter*innen sich auf der Basis eines transparenten Indikatoren-Katalogs und über eine Vergabeplattform auf Wohnraum bewerben. Ihr Zugang zum gewählten Angebot ist allein von ihrem Dringlichkeitsstatus abhängig. Wohnungssuchende sollen darin bestärkt werden, ihre Bedarfe und Wohnwünsche (Wohnform, Wohnungsgrößen und Lage) selbstbestimmt mit den verfügbaren Wohnungsangeboten abzugleichen. Das CBL-Konzept in Cheshire wurde vom Cheshire East Council entwickelt und steht Unternehmen der Wohnungswirtschaft als Vergabeplattform offen. Circa zehn Unternehmen in Cheshire vergeben ihren kompletten Bestand nach den Prinzipien des CBL. Weitere acht Unternehmen tun dies für einen Teil ihrer verfügbaren Wohnungen. Insgesamt werden 21.500 Mietimmobilien im sozialen Wohnungsbau so vermietet, dies sind circa 18 Prozent des Wohnungsbestands (vergleiche CEC Housing Strategy 2018–2023). Wohnungssuchende müssen sich zunächst registrieren. Die laufend zu bearbeitenden Wartelisten umfassen 10.000 Haushalte.

Der Indikatoren-Rahmen, der die Vergabe von Wohnungen nach CBL definiert, wurde 2012 entwickelt und ist Bestandteil einer allgemeinen Belegungs- und Wohnungsvergabepolitik des Cheshire East Council. Er definiert die Auswahlkriterien für neue Mieter*innen und berücksichtigt die Bedarfe und Interessen von Wohnungssuchenden. Bei der Vergabe kommen die Prinzipien der Wahlfreiheit, Transparenz, Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit zum Tragen. Jede Bewerbung auf eine Wohnung wird dezidiert unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit, einer Behinderung, dem Geschlecht, der sexuellen Orientierung, der Religion oder des Glaubens und des Alters ausgewertet. CBL soll insbesondere Personen mit besonderem Unterstützungsbedarf begünstigen. Im Indikatoren-Rahmen des CBL wird dafür zwischen verschiedenen Formen und Abstufungen von Wohnungsnotfällen unterschieden. Interessenbekundungen für Wohnungen werden nach sechs Kategorien und weiteren Indikatoren (zum Beispiel Status als „Careleaver“, dem Wohnen in überbelegten Wohnungen, medizinisch begründete Wohnungsbedarfe) priorisiert.

Wenn mehrere Bewerber*innen Interesse an einer Immobilie bekunden, erhält den Zuschlag die sich bewerbende Person mit der höchsten Listenposition für diesen spezifischen Immobilientyp (längste Wartezeit, höchste Punktzahl nach Indikatoren und am besten für die Wohnung geeignete Familien- beziehungsweise Haushaltsgröße). Die Auswahlprinzipien im Indikatoren-Rahmen zielen zudem auf „ausgewogene und nachhaltige Bewohnerstrukturen“.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf gleichen Zugangschancen. Daher werden die Wohnungsangebote eine Woche lang öffentlich über die Website beziehungsweise eine IT-Plattform bekanntgegeben. Die Wohnungsunternehmen bieten zudem denjenigen Hilfe an, die Barrieren beim Zugang zu diesen digitalen Informationen und beim Ausfüllen eines Antrags auf eine Wohnung haben. Personen, die besonders vulnerablen Gruppen angehören, werden durch die beteiligten Unternehmen aktiv über Wohnungsangebote informiert.

In das Auswahl- und Kontrollverfahren wird ein hierfür gebildetes Gremium einbezogen. Es wird mit wechselnden Personen der Partner von Cheshire Homechoice besetzt und hat die Funktion, im Mehraugenprinzip einen ordnungsgemäßen Auswahlprozess entlang des Indikatoren-Rahmens und der gleichstellungspolitischen Richtlinien zu gewährleisten.

Abgelehnte Bewerber*innen haben die Möglichkeit, die Auswahlkriterien zur Vergabe einer Wohnung offengelegt zu bekommen, und können eine Beschwerde einlegen, wenn sie den Eindruck haben, ungerechtfertigt behandelt worden zu sein. Der Beschwerdeweg ist definiert und diesbezügliche Informationen sind allen Bewerber*innen zugänglich. Eingehende Beschwerden werden von einer unabhängigen Person von Cheshire Homechoice vorgenommen, die nicht in den vorhergegangenen Auswahlprozess involviert war. Das Ergebnis der Prüfung der Beschwerde wird schriftlich innerhalb einer gesetzten Frist mitgeteilt.

Der Cheshire Homechoice Vorstand hat die Aufgabe, zukünftige Entwicklungen zu begleiten und Änderungen der Belegungspolitik vorzunehmen. Auch dieses Gremium wird von den das CBL implementierenden Partnern besetzt.

Die Belegungspolitik wird alle drei Jahre extern evaluiert. Ihr Einfluss auf die Zusammensetzung der Wohnquartiere wird überwacht. Um eine gleichstellungsorientierte Auswertung vornehmen zu können, werden alle Wohnungsbewerber*innen um (gegebenenfalls diskriminierungs)relevante Informationen gebeten, auf der Basis einer freiwilligen Selbstzuordnung.

Stimmen aus der Praxis und Wirksamkeit

Durch die alle drei Jahre stattfindende externe Evaluierung liegen vielfältige, regional unterschiedliche Einschätzungen zum CBL in Großbritannien vor. Sie sind – insbesondere hinsichtlich des Mehrwerts dieses Ansatzes für besonders vulnerable und vor allem migrantische Bevölkerungsgruppen durchaus divergierend (wissenschaftliche Analysen siehe weitere Materialien). Die stellvertretende Leiterin der Abteilung Wohnungsvergabe von Cheshire Homechoice für Cheshire sieht das größte Problem in einem zu geringen lokalen Angebot im sozialen Wohnungsbau. Dieses wirkt sich negativ auf die durch das CBL erreichbare Wirksamkeit für Chancengleichheit aus. Sie sieht außerdem potenziell einen Widerspruch zwischen der Zielsetzung gemischter Nachbarschaften und der Zielsetzung, Menschen mehr Wahlmöglichkeiten zu geben. Wohnwünsche von Migrant*innen seien oft, in lokalen ethnischen Communitys zu wohnen. Aufgrund von Vulnerabilitäts- und Bildungsunterschieden komme es häufig zu Präferenzen „für die einfachste Lösung“ und damit häufig schlechtere Wohnqualität. Als Indikator für die Wirksamkeit des CBLAnsatzes sieht Cheshire Homechoice, dass die begrenzt verfügbaren Bestände im sozialen Wohnungsbau denjenigen vermittelt werden konnten, die die höchste Dringlichkeit haben und in anderen Vergabeverfahren ein hohes Diskriminierungsrisiko hätten. So werden jährlich etwa 1.000 Haushalte davor geschützt, Wohnungslosigkeit zu erfahren.

Einbettung der Maßnahme

Nichtdiskriminierungsstandards werden darüber hinaus auch in den Strategien, der Organisationsentwicklung und sonstigen Praktiken der teilnehmenden wohnungswirtschaftlichen Unternehmen beachtet.

Tipps für die Übertragung

Durch die regelmäßige externe Evaluierung liegt eine umfassende Grundlage der Einschätzungen zur Sinnhaftigkeit und zielführender Umsetzung des CBL-Indikatoren-Rahmens vor. Das Verfahren des CBL kann für die deutsche Situation beziehungsweise Vergabepraxis auf mehreren Ebenen Vorbild sein.

  • Indikatoren-Setzung: Die im Indikatoren-Rahmen für die Vergabeentscheidung festgelegten Indikatoren sind öffentlich, transparent und beugen Diskriminierung beziehungsweise Fehleinschätzungen vor. Die zukünftigen Mieter*innen können sich vor ihrer Interessenbekundung und einer möglichen Vergabe mit diesen Indikatoren vertraut machen.
  • Dringlichkeit: Dringlichkeiten beim Bedarf nach Wohnraum werden transparent und in Form von Indikatoren zugelassen und von den Bewerber*innen selbst eingeschätzt.
  • Wünsche der Wohnungssuchenden: CBL gibt Raum für die Wohnwünsche der Wohnungssuchenden und versucht diese zu berücksichtigen – zunächst ungeachtet möglicherweise divergierender Vermieter*inneninteressen im Belegungsmanagement.
  • Beschwerdemechanismus: Ein definierter und neutraler Beschwerdemechanismus ist eingerichtet und Bewerber*innen sind über den Mechanismus transparent informiert. Beschwerden werden von Personen bearbeitet, die nicht in die negative Auswahl involviert waren.
  • Evaluierung: Cheshire CBL wird regelmäßig alle drei Jahre extern evaluiert. In der darauffolgenden Phase können Auswertungen und Erkenntnisse der Evaluation in die Weiterentwicklung der CBL-Politik integriert werden. Dies ermöglicht eine systematische und qualitative Verbesserung dieses Vergabekonzepts.
Das offizielle Logo von Cheshire Homechoice