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Planerladen gGmbH Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung

Mit Testing-Verfahren und Öffentlichkeitskampagnen trägt der Planerladen zu einer Sensibilisierung für das Thema Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt und zu einem Umdenken in der Gesellschaft bei.

Art des Wohnungsmarktakteurs:
Antidiskriminierungsstelle
Diskriminierungsmerkmale:
Ethnische Herkunft / Rassismus
Durchführung:
Stadt Dortmund seit 1997
Weitere Maßnahmen gegen Diskriminierung im Wohnungswesen:

Einzelfallberatung, Lobbyarbeit, Vernetzung

Kontakt

Regina Hermanns - Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit im Handlungsfeld Wohnen E-Mail: integration@planerladen.de Telefon: (0231) 833 225

Angaben zum Wohnungsmarktakteur

Die Planerladen gGmbH ist eine seit 1982 bestehende gemeinnützige Initiative in der Dortmunder Nordstadt, die gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt vorgeht. Seit 2009 wird der Planerladen als Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit vom Land NRW gefördert. Seine Arbeitsbereiche unterteilen sich zum Großteil in Beratung von Wohnungssuchenden und Mieter*innen, die von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt betroffen sind, und Lobbyarbeit, um das Thema in politische Diskurse einzubringen.

Ausgangslage und Motivation

Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung sind die zentralen Maßnahmen des Planerladens gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt. Die Initiative reagiert damit sowohl medial als auch bei der konkreten Wohnungsvergabe auf wohnungsbezogene Diskriminierungen in der Dortmunder Nordstadt und darüber hinaus. Als Beispiel nennt Regina Hermanns, Mitarbeiterin vom Planerladen, die 2012 medial als „Ekelhäuser“ benannten Problemimmobilien, auf die mit der Kampagne Blickwechsel reagiert wurde. Die Immobilien wurden nicht instand gehalten und vielfach von Zugewanderten aus Rumänien und Bulgarien bewohnt. In der Öffentlichkeit wurden die Bewohner*innen für den Zustand der Häuser verantwortlich gemacht.

Der Planerladen reagiert auf tiefsitzenden Rassismus und strukturelle Diskriminierung in der Gesellschaft mit Öffentlichkeitskampagnen, die einen Blickwechsel und Umdenken in der Zivilgesellschaft hervorrufen sollen, und mit Studien, die das Ausmaß an Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt öffentlichkeitswirksam beleuchten sollen.

Maßnahmenbeschreibung

Wichtiges Instrument für die Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung ist die in den USA entwickelte Testing-Methode. Als eine der ersten Institutionen in Deutschland erhob der Planerladen 2007 Fälle von Diskriminierung beim Zugang zum Wohnungsmarkt mittels Testing. Sie kontaktierten 150 Vermieter*innen per E-Mail mit jeweils einem offensichtlich deutschen und einem offensichtlich türkischen Namen. Alle anderen Angaben der Anfragen blieben – bis auf den Namen – gleich. Während 56 Prozent aller angefragten Vermieter*innen beiden Absendern antworteten, beantworteten 42 Prozent ausschließlich die Anfrage des Absenders mit offensichtlich deutschem Namen. 2009 ergänzte der Planerladen die Studie mit einem telefonischen Testing bei regionalen Immobilienanbieter*innen. Weitere Testings führt der Planerladen im Rahmen der Einzelfallberatung durch, um einen Vorverdacht zu untermauern. Die Ergebnisse können vor Gericht als Indiz für eine Ungleichbehandlung vorgelegt werden, während die Gegenseite ihre Unschuld beweisen muss. Regina Hermanns bewertet Testings als „ein sehr starkes Instrument zum Nachweis von Diskriminierung beim Zugang zum Wohnungsmarkt“.

Daneben führt der Planerladen zu bestimmten Themen gezielte Öffentlichkeitskampagnen durch. Die Kampagnen Blickwechsel und Gib Rassismus keinen (Wohn-)Raum! verbinden das Ziel, Kontroversen hervorzurufen und nachhaltig für die so schwer zu erkennende Wohnungsmarktdiskriminierung zu sensibilisieren. 2012 startete die Kampagne Blickwechsel, da die Kampagne neben den Problemimmobilien auch Prostitution, Schwarzarbeit, Obdachlosigkeit etc. in den Blick genommen hat:
Sie sollte unter anderem die einseitige Berichterstattung über verwahrloste Häuser in der Nordstadt in ein anderes Licht rücken. Nicht die Bewohner*innen, die keine andere Möglichkeit der Unterbringung finden konnten, sondern die fehlenden Investitionen der Vermieter* innen sollten als „wahre Verursacher“ in den Blick genommen werden. Hierfür wurden acht Banner in einer zentralen Nordstädter Straße mit viel Publikumsverkehr aufgehängt. Für ein halbes Jahr waren in der Straße Aussprüche wie ‚Blickwechsel. … denen, die mit Armut Geschäfte machen, das Handwerk legen! Wir sagen NEIN zu Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit!‘ oder ‚Blickwechsel. Menschenwürdiges Wohnen und Leben für alle!‘ zu lesen. Dazu waren auf den Bannern Fotos von verwahrlosten Gebäuden und Wohnungen zu sehen.

Die Buskampagne Gib Rassismus keinen (Wohn-)Raum! richtete sich ebenfalls direkt an die breite Bevölkerung und sollte dazu anregen, eigene Vorbehalte und Stereotype zu hinterfragen. In Kooperation mit den Dortmunder Stadtwerken und gefördert von einzelnen Wohnungsunternehmen und kommunalen Akteuren wurden provokante Szenen (inkl. Entlarvung des Vorurteils) auf einem bedruckten Linienbus bildlich dargestellt, welcher für eineinhalb Jahre durch das gesamte Stadtgebiet fuhr. Die Kampagne wurde mit einem Pressetermin mit allen Unterstützer*innen, Sponsoren und dem Oberbürgermeister von Dortmund abgeschlossen.

Stimmen aus der Praxis und Wirksamkeit

Zur Wirksamkeit des Testings berichtet die Wissenschaftlerin Dr. Heike Hanhörster vom Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung Dortmund (ILS), dass der Planerladen mit dem Testing-Verfahren eine neue Methode in Deutschland eingeführt und erprobt habe, die den Nachweis einer Benachteiligung auf dem Wohnungsmarkt im Einzelfall wie übergreifend ermöglichte. „Für die Politikmachenden ist es sehr wichtig, nicht nur Beispiele zu bringen, sondern auch die Größe, Tiefe und Dramatik des Phänomens klarer belegen zu können.“ Im Einzelfall könne das Testing eine sehr große Wirkung haben, indem es Ungleichbehandlung verifizieren und vor Gericht das entscheidende Indiz darstellen kann. Regina Hermanns betont, dass hier nur die „Spitze des Eisberges“ zu sehen sei. „Groß angelegte Studien geben einen Hinweis darauf, wie stark das Ausmaß an Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist.“ Eine Drohkulisse für Vermieter*innen sei hiermit nicht zu erzeugen, dies wäre nur mit regelmäßigen Testings möglich.

Die Wirksamkeit der Blickwechselkampagne zeigte sich – so Regina Hermanns – durch das mediale Echo und dadurch, dass sie „viel Zuspruch, aber auch viel Gegenwind“ erhielten. Bewohner*innen der Straße, in der die Banner hingen und die nicht in einer der heruntergekommenen Immobilien wohnten, reagierten beispielsweise mit einer Beschwerde bei der Stadt, da sie sich „rassistisch beleidigt fühlten.“ Daraufhin startete der Planerladen eine direkte, medial wirksame Aktion, bei der sie sich die Münder zuklebten, was von der Presse aufgegriffen wurde unter dem Titel ‚Streit um politische Banner – Planerladen-Chefin spricht von Zensur, Anwohner fühlen sich beleidigt‘. Regina Hermanns schlussfolgert: „Der Punkt zeigt, dass wir mit unserer Kampagne den wunden Punkt getroffen haben.“ Auch in Bezug auf die Betroffenen konnten sie eine Wirkung erzielen. Aus darauf aufbauenden Veranstaltungen gründete sich das Netzwerk „freundeskreis nEUbürger und roma“, welches immer noch aktiv ist, und weiterhin ein Verein für eine Gruppe von bulgarischen Neuzugewanderten. Regina Hermanns betont: „Das trägt alles dazu bei, einerseits die Gruppe zu empowern und andererseits andere Akteure mit ins Boot zu holen, um an dem Thema zu arbeiten.“ Zudem habe es ebenfalls einen Teil dazu beigesteuert, die Berichterstattung differenzierter zu gestalten und damit auch das Bild der Bewohner*innen zu ändern. Regina Hermanns bewertet auch die Buskampagne Gib Rassismus keinen (Wohn-)Raum! aufgrund der zahlreichen Unterstützer*innen der Kampagne und der vielfach positiven Rückmeldungen als Erfolg. Dass sie viele Personen, darunter auch Betroffene, erreichen konnten, zeige der Umstand, dass mehr Personen bei ihnen Beratung aufsuchten, die über die Aktionen auf sie aufmerksam wurden.

Insgesamt spricht Dr. Heike Hanhörster bezüglich der Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung über den Planerladen als einen „Akteur, der in der Nordstadt auch unliebsame Themen auf den Tisch bringt und für die Stadtgesellschaft, auch über die Nordstadt hinaus, eine gewisse Wirkung und Ausstrahlungskraft hat“. Diskriminierendes Verhalten und Strukturen aufzudecken, ermögliche der Planerladen „durch Persistenz und über Jahre oder Jahrzehnte nachhaken und im Diskurs bleiben“. Die Arbeit des Planerladens sei sichtbar und spürbar und durch das Mitnehmen verschiedener Akteure aktivierend. Dieser wichtige Beitrag zur Stadtgesellschaft werde bundesweit wahrgenommen.

Einbettung der Maßnahme

Die Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit sind Teil des Aufgabenschwerpunkts, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt in politische Diskurse einzubringen; dazu gehört auch Lobbyarbeit und Netzwerkarbeit auf regionaler und Landesebene. Weitere Maßnahmen und Kampagnen sind aktuell zum Beispiel die Kampagne Corona bleibt – Was geht?, in der unter anderem die Notwendigkeit von ausreichendem und bezahlbarem Wohnraum und Benachteiligung auf dem Wohnungsmarkt im Kontext der Coronapandemie thematisiert wird. Weiterhin wurde 2012 das Siegel für herkunftsunabhängige Gleichbehandlung bei Vermietung von Wohnraum ins Leben gerufen, für dessen Erhalt sich Vermieter*innen von diskriminierenden Verhaltensweisen distanzierten und den Grundsatz der Gleichbehandlung in ihr Unternehmensleitbild aufnahmen.

Flankiert wurden die Kampagnen weiterhin durch konkrete Angebote wie thematisch passende Diskussions-/ Gesprächsabende für die Zivilgesellschaft, Netzwerkbildung, eine Broschüre mit Informationen zur Wohnungssuche für Geflüchtete und Zugewanderte (WOHINDO-Broschüre) und Beratung für Einzelfälle. Für Multiplikator*innen und Betroffene finden zur Sensibilisierung regelmäßig Workshops, Diskussionsveranstaltungen, Film- und Leseabende und Schulungen statt. Diese sollen ihnen aufzeigen, welche Möglichkeiten sie haben, sich gegen Diskriminierung zu wehren.

Testing-Studien werden vom Planerladen weitergeführt, sodass er beispielsweise 2020/2021 die FH Dortmund bei einer Durchführung von Testings im Ruhrgebiet begleitete, bei welcher weitere Tester*innenidentitäten aufgenommen wurden, um unterschiedliche Diskriminierungsstärken bei vermeintlich verschiedenen Herkünften abbilden zu können.

Tipps für die Übertragung

Für erfolgreiche Öffentlichkeitskampagnen wie Blickwechsel und Gib Rassismus keinen (Wohn-) Raum! sollten Presse und Medien als Multiplikatoren zu einer breiten Öffentlichkeit gewonnen werden, zum Beispiel durch geeignete Auftakt-/ Abschlusstermine mit den Medien und die Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren. Regina Hermanns betont, dass für Aktionen wie beispielsweise Blickwechsel mit den Transparenten sichergestellt sein müsse, dass es eine räumliche Verknüpfung gibt, damit das Publikum das Thema zuordnen kann. Gerade bei provokanten Formaten sei es zudem hilfreich, Widerstände einzuplanen und ggf. erforderliche Genehmigungen zum Beispiel zur Nutzung von Flächen einzuholen. Insbesondere sei zu beachten, dass diese Maßnahmen nicht für sich allein stünden, sondern mit konkreten Angeboten flankiert werden müssten, zum Beispiel Diskussions- und Filmabenden zu angesprochenen Themen wie auch Beratungsangeboten für Betroffene.

Das Testing könne sowohl in anderen Regionen als auch für andere Themen eingesetzt werden. Dr. Heike Hanhörster sieht zukünftig insbesondere Wohnungsunternehmen und wohnungswirtschaftliche Verbände in der Verantwortung, auch selbst das Testing als ein Instrument der internen Qualitätssicherung einzusetzen, wie es beispielsweise in den Niederlanden praktiziert wird. Wichtig sei zudem, dass nach dem Sichtbarmachen von Benachteiligungen im nächsten Schritt auch Veränderungen gemeinsam von Wohnungsunternehmen, Einzeleigentümer*innen, Stadtverwaltung, Politik und Verbänden umgesetzt werden. „Das ist noch ein dickes Brett, das es zu bohren gilt“, so die Einschätzung von Dr. Heike Hanhörster.

Dr. Heike Hanhörster unterstreicht außerdem die Wichtigkeit der diversen Zusammensetzung des Planerladens als Teil ihrer Struktur, ihre stetige Selbstreflexion sowie die Einbindung in Netzwerke.

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