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Grußwort bei der Eröffnung der Antidiskriminierungsstelle Sachsen-Anhalt in Halle von Bernhard Franke, kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, am 3. Mai 2019 in Halle. 03.05.2019 | Redner*in: Bernhard Franke

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin,
sehr geehrte Frau Zehnpfund,
sehr geehrter Herr Roth,
lieber Herr Barthel,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Anwesende,

ich freue ich mich sehr, heute bei der Eröffnung der Antidiskriminierungsstelle in Halle dabei zu sein.

Es ist seit vielen Jahren ein Herzensanliegen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, dass es eine niedrigschwellige und qualifizierte Beratung für Betroffene vor Ort gibt. Das Flächenland Sachsen-Anhalt legt da mit zwei Standorten – Halle und Magdeburg – einen vorbildlichen Start hin.

Klar ist: Wir brauchen dringend Beratungsangebote. Denn der Bedarf ist groß. Lassen Sie mich dazu kurz aus unserer eigenen Beratung berichten: 2018 gingen bei uns 3.455 Anfragen ein, die sich auf mindestens eines der im AGG geschützten Merkmale bezogen. Nicht eingerechnet ist hier die Vielzahl von Anfragen, die uns zu Benachteiligungen erreichen, die nicht vom AGG erfasst werden, etwa Fragen im Zusammenhang mit der sozialen Herkunft, dem Aussehen oder dem Familienstand.

Seit mehreren Jahren stellen wir einen deutlichen Zuwachs bei den Beratungsanfragen fest. Von 2015 bis 2018 ist die Zahl der Anfragen bei uns um annähernd 70 Prozent gestiegen.

Warum ist das so? Natürlich gehen wir davon aus, dass die Bekanntheit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und der Beratungsangebote stetig wächst – schließlich setzen wir uns auch unermüdlich dafür ein, dass dies so ist.

Wir denken aber auch, dass wir hier den Effekt einer wachsenden gesellschaftlichen Sensibilisierung für das Vorhandensein von Diskriminierung spüren.

Und wir wissen auch, dass der Widerstand dagegen von mancher Seite zunimmt – und zu weiteren Diskriminierungen führt.

So nehmen in unserer Beratung die Anfragen wegen rassistischer Zuschreibung weiter zu – 2018 bezogen sich 31 Prozent auf diesen Bereich, gefolgt von Geschlecht mit 29 Prozent. Und, ebenfalls wichtig: Die Mehrheit der Anfragen bei uns betrifft Diskriminierungen im Arbeitsleben. Mehr als jede dritte Anfrage, 36 Prozent, betraf 2018 eine Diskriminierung bei der Bewerbung oder im Job selbst. Auffallend ist außerdem der Anstieg der Beschwerden zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.

Natürlich sind unsere Beratungszahlen nicht repräsentativ. Wir können nicht die eine, letztgültige Erklärung für den Anstieg geben. Aber die Hinweise sind doch deutlich: So korrespondiert der Zuwachs an Anfragen zu rassistischer Diskriminierung mit den gestiegenen Zahlen rassistischer Vorfälle, die die Statistiken verzeichnen.

Und zugleich meinen wir, dass Hashtag-Kampagnen wie #vonhier und #metwo die Debatte über Alltagsrassismus weit über die sozialen Medien hinaus getragen haben. Sie haben mehr Menschen dazu bewegt, ihre Erfahrungen mitzuteilen und um ihr Recht zu kämpfen. Das gleiche gilt im Bereich der sexuellen Belästigung für die #metoo-Debatten. Sie sehen also: Es gibt einen steigenden Bedarf, Diskriminierungserfahrungen zu thematisieren und sie auch anzugehen. Zugleich gilt leider weiterhin: Sein – oder ihr – Recht bei Diskriminierung durchzusetzen, ist für viele Betroffene mit hohen Hürden verbunden.
Es erfordert emotionale Stärke, Durchhaltewillen und ausreichende finanzielle Mittel. Mehr noch: Betroffene müssen ihre Rechte erst einmal überhaupt kennen. Sie müssen wissen, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz einen leider äußerst engen zeitlichen Rahmen setzt, innerhalb dessen Ansprüche geltend gemacht werden müssen.

Und Betroffene sind auf sich gestellt, wenn sie vor Gericht ziehen wollen.

Schon lange fordern wir daher rechtliche Verbesserungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, um die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern – etwa eine Verlängerung der Fristen und ein Verbandsklagerecht.

Aber an diesem Punkt sind wir leider noch nicht.

Umso wichtiger ist es, dass Menschen, die Diskriminierung erleben, zeitnah und vor Ort Hilfe bekommen können. Denn darum geht es im ersten Schritt: Betroffene wollen angehört, sie wollen unterstützt und ernst genommen werden. Es geht nicht immer gleich um eine mögliche Klage, es geht um die Klärung erster Fragen, um Verständnis und Beistand, wie er etwa im Rahmen des Versuchs einer gütlichen Einigung geleistet werden kann.

Bei all dem kommt den Beratungsstellen der Länder eine besonders wichtige Rolle zu: Sie sind, anders als eine Bundesstelle, direkt vor Ort, sie kennen die lokalen Gegebenheiten, sie genießen vielleicht auch besonderes Vertrauen. Und sie können durch ihre Arbeit zielgenau vor Ort sensibilisieren und Veränderungen bewirken. Sie tragen dazu bei, dass Menschen gestärkt werden, dass ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe möglich ist, dass sie respektvoll (gleich-)behandelt werden.

So gesehen ist die heutige Eröffnung der Antidiskriminierungsstelle auch ein klares Signal.

Sachsen-Anhalt macht damit deutlich: Diskriminierung nehmen wir nicht hin. Und mehr noch, wir unterstützen Betroffene, die Benachteiligung erleben. Das ist vorbildhaft für die Länder, die sich noch nicht auf diesen Weg gemacht haben.
Ich wünsche den Beraterinnen und Beratern allen Erfolg bei Ihrer wichtigen Arbeit.

Wir unterstützen Sie gern und freuen uns auf den Austausch. Vielen Dank!